Meine Seefahrtzeit bei der deutschen Handelsmarine als 2. Ingenieur
von Juli 1960 bis Juni 1966

C6 Studium von September 1966 bis Juli 1967 an der Schiffsingenieurschule Bremen

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Prolog
Die Lage in der Seefahrt hatte sich inzwischen derart verbessert, daß nun nicht mehr genügend Personal mit Patenten zur Verfügung stand. Es wurden hohe "Kopfprämien" von den Reedereien für die Abwerbung von Patentinhabern anderer Reedereien ausgesetzt.
Ich kehrte nach dem Studium zu meiner alten Reederei zurück, für die ich am 8. Juli 1960 mit 21 Jahren als jüngster 2. Ingenieur der christlichen Seefahrt auf der "BARBARA" meinen Dienst bis zum 15.12.1960 antrat. Das Schiff kannte ich bereits von meiner Assizeit. Mein Vorgänger war leider nicht mehr an Bord, der mir noch ein paar wichtige Informationen hätte geben können.


MS "BARBARA"



Größenverhältnis: Mensch/Motor
Mit freundlicher Genehmigung von Caterpillar Motoren, Kiel
MaK 10 M 581
Antriebstechnik:

Zwei MaK Viertakt Zehnzylinder
Tauchkolbendieselmotoren,
385mm Kolbendurchmesser, 580mm Hub, Turboaufladung, direkt umsteuerbar, je 1.800 PSe bei 300rpm, hydraulische Vulcankupplungen, drehzahlreduziert über Vulcangetriebe auf 115rpm der Propellerwelle

3 MaK Hilfsdiesel, 220 V Gleichstrom


Untersetzungsgetriebe

MaK-Fahrstand.


Die Maschinencrew war überwiegend älter als ich, daher benötigte ich viel Einfühlungsvermögen, um mir den nötigen Respekt zu verschaffen. Meine erste Tätigkeit bestand darin, einen Überblick über den täglichen Arbeitsablauf zu erhalten. Beim Verlassen des ersten Hafens traten nun die von mir aus der Assizeit befürchteten Schwierigkeiten auf. Das Bedienen der Hauptmaschinen in der Manöverfahrt blieb stets den Ingenieuren vorbehalten. Jetzt als Ingenieur gehörte es zu meinen Aufgaben und dabei hatte ich nie zuvor die Maschinen bedient, also auch keine Ahnung davon. Die Hauptmaschinen wurden mit Druckluft von 30 bar gestartet. Dieses erforderte ein gewisses Geschick. Auch das Umsteuern der Motoren in die entgegengesetzte Drehrichtung erfolgte mit Druckluft durch Verschieben der Nockenwelle. Dies durfte nur im hundertprozentigen Stillstand der Motoren erfolgen. Das Getriebe hatte nur die Funktion der Drehzahlreduzierung von 300 rpm der Dieselmotoren auf 115 rpm der Propellerwelle.

1 Karibik-Reise von Juli bis September 1960 in Charter für KNSM Koninklijke Nederlandsche Stoomboot Maatschappij, Amsterdam


Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
Frankreich
Frankreich
. . . Kuba
Cuba
Jamaika
Jamaika
Haiti
Haiti
Dominikanische Republik
Domrep
Kolumbien
Kolumbien
Costa Rica
Costa Rica
Honduras
Honduras
Guatemala
Guatemala


Reiseverlauf:
Diese Reise fuhren wir in Charter für die KNSM, Royal Netherlands Steamship Co (Koninklijke Nederlandsche Stoomboot Mij.) von Hamburg, Bremen, Amsterdam, Antwerpen und Le Havre mit Stückgut aller Art in die Karibik und nach Zentral-Amerika.

Wir liefen die Häfen Havanna/Kuba, Kingston/Jamaika, Port-au-Prince/Haiti, Ciudad Trujillo (das heutige Santo Domingo)/Dominikanische Republik auf der Insel Hipañola, Santa Marta, Baranquilla und Cartagena in Kolumbien, Puerto Limon/Costa Rica, Puerto Cortez/Honduras und Puerto Barrios/Guatemala an.

Als wir Europa verließen, verabschiedete uns der Luxusliner "United States" der United States Lines


Info Charter:
Bei einer Charter stellt der Eigner, in diesem Fall die Reederei Hugo Stinnes, das betriebsbereite, ladefähige und bemannte Schiff dem Charterer für eine bestimmte Zeit zur Verfügung. Verrechnet wird pro Nutzungstag zu einem fest vereinbarten Preis. Der Eigentümer ist jedoch für den korrekten technischen Zustand des Schiffes verantwortlich. Bei einem technischen Defekt geht das Schiff "off-hire" und der Charterer braucht für diese Zeit nicht zu zahlen. Bei Verspätungen, z.B. durch schlechtes Wetter, liegt die Verantwortung beim Charterer.
Wenn es der Charterer wünschte, wurde der Reedereischornstein in die Farben des Charterers umgemalt.

Kuba nach Fidel Castro's Machtergreifung
Nach der Machtübernahme von Fidel Castro hatte sich in Kuba viel verändert. Die Beziehungen zu den USA lagen auf Eis. Es durften auch keine US-Dollar mehr ins Land eingeführt werden. Wir wussten aber, dass der Schwarzmarktwert des Dollar ein Vielfaches über dem des Peso lag. Diese Tatsache beflügelte uns, den US-Dollar ins Land zu schmuggeln. Wir steckten die zusammengerollten Dollarscheine in die vom Tabak entleerten Zigarettenhülsen , versahen diese am anderen Ende des Filters mit etwas Tabak und steckten sie dann wieder in die Packung zurück. Das Passieren des Zolls verlief problemlos.

In den Hafenkneipen, die früher voller Leben waren, herrschte jetzt eine niedergeschlagene Stimmung. Auch das "süße Leben" gab es kaum noch. Wenn ich mich nach bestimmten Personen erkundigte, erfuhr ich, dass viele das Land verlassen hatten. Die Dollar, die wir auf den Toiletten heimlich tauschten, sollten als Flucht- und Bestechungsgeld dienen.

In Port au Prince empfing uns eine Armada von kleinen Händlerbooten.

Händler im Hafen von Port-au-Prince

Von den Händlern kaufte ich diese Holzschnitzerei,
die noch heute in unseren Besitz ist.

Ich kann mich noch gut an einige Behausungen der Einheimischen erinnern. Es waren nur Hütten aus alten Brettern zusammengefügt und von innen gegen Ungeziefer und Blicke der Fremden mit Zeitungspapier beklebt. Nirgends war die Armut so groß. Zu jener Zeit wurden viele dieser Länder von Militärdiktaturen mit besonders harter Hand regiert. Zum Beispiel in Haiti "Papa Doc" und in der Dominikanischen Republik "Rafael Trujillo Molina". Das einzig Positive bestand darin, dass sich die Kriminalität auf einem sehr niedrigen Niveau befand. Man konnte zu jeder Tag- und Nachtzeit gefahrlos durch die Städte spazieren.

Anmerkung
Fast genau nach 50 Jahren habe ich im Fernsehen die Bilder der Erdbebenkatastrophe von Haiti, insbesondere von Port au Prince verfolgt. Es hat sich nichts verändert, die gleichen Hütten und Armut wie damals. Es gibt auch kein zweites Land in Südamerika, das so afrikanisch durch seine Sklaven geprägt ist. Liegt es an der Mentalität der Bevölkerung oder wird das Land, weil es dort wirtschaftlich nichts zu holen gibt, einfach ignoriert?

Im "Blue Moon" von Santa Marta machte ich die Bekanntschaft eines Schamanen. Er erzählte mir viel über die von ihm verwendeten Blätter und Kräuter aus dem Regenwald. Da die Botanik eines meiner Hobbys ist, faszinierte mich sein Wissen derart, dass ich immer mehr wissen wollte. Irgendwann erzählte er mir folgendes: "Viel hilft nicht immer viel, kleine Mengen sind meist viel wirksamer. Als Beispiel nannte er eine gewisse Kräutermixture, deren Namen ich vergessen habe. "Bei der Einnahme einer kleinen Menge kannst Du gut schlafen und bist am nächsten Tag wieder munter, nimmst Du aber eine zu große Dosis, wirst Du vielleicht für immer schlafen". Diese Unterhaltung sollte mir später noch von großem Nutzen sein.

Meine ersten Monate als 2.Ingenieur
Mit zunehmender Reisedauer begann ich, hier und da einiges zu verändern. Mich störten zum Beispiel die vielen Blechdosen unter tropfenden Rohrleitungen. Diese Leckagen wurden nun umgehend beseitigt. Am Fahrstand und in der Werkstatt befanden sich sehr übersichtige Werkzeugtafeln, jedoch das Werkzeug lag überall herum, oder es war in die Bilge gefallen.


Foto: B. Engelmann
So einfach, ohne großen technischen Aufwand, war früher die Verständigung zwischen Maschine und Brücke - und es funktionierte auch


Diesem Unwesen habe ich schnell ein Ende bereitet. Ordnung ist auch Sicherheit, insbesondere auf einem Seeschiff. Der Rhythmus zum Reinigen von Separatoren und Filtern wurde geändert. Auch wurden die ersten Wartungsarbeiten durchgeführt. Das Personal hatte sich schnell an das neue System angepasst, da es in vieler Hinsicht die Arbeit erleichterte. Es blieb jedoch nicht ganz aus, dass hin und wieder ein Stopper, das heißt der Ausfall einer Maschine zwecks Reparatur, vorkam. Da wir in Charter unterwegs waren, musste die Schiffsführung unverzüglich darüber informiert werden, wie lange die erfordrtliche Reparatur dauert. Diese wiederum teilte es dem Charterer mit, da unsere Reederei für die "off-hire" aufzukommen hatte. Aufgrund dieser präzisen Aussagen über die Dauer der Reparaturarbeiten, zu denen die Vorgänger scheinbar nicht in der Lage gewesen sind, gewann ich mir meine ersten Sympathien beim Kapitän.

Durch kontrolliertes Überwachen jedes einzelnen Zylinders, verbunden mit rechtzeitigen Kolbenziehen - leider auch auf See - haben wir Kolbenfresser, wie früher üblich, verhindert. Ich machte mir über die Laufzeiten und den Verschmutzungsgrad der Kolben nebst Kolbenringe exakte Aufzeichnungen. Mein Ziel war es, in Zukunft den Zeitraum des Kolbenziehens von ca. 2000 Stunden Laufzeit - entspricht alle 4 Monate - auf 6000 Stunden - entspricht jährlich - zu erhöhen.

Bei unserer Rückkehr nach Hamburg erhielt ich für meine erste Reise von der Reedereiinspektion ein Lob. Vom Charterer bekam ich einen Umschlag mit einigen Gulden-Scheinen zugesteckt. Ich war darüber nicht nur stolz, sondern fühlte mich auch in meiner Arbeit bestätigt.


* * * * *


1 Reise ins Mittel- und Schwarze Meer von September bis Oktober 1960 in Charter für DLL Detsche Levante Linie, Hamburg


Deutschland
Deutschland
Niederlande""
Niederlande
Belgien
Belgien
. . .
Portugal
Portugal
Spanien
Spanien
Frankreich
Frankreich
Türkei
Türkei
Rumänien
Rumänien
Bulgarien
Bulgarien


Eine weitere Reise führten wir in Charter, und zwar diesmal für die DLL (Deutsche Levante Linie) durch. Die Route verlief über Leixoes und Lissabon in Portugal, Cartagena und Barcelona in Spanien, Marseille/Frankreich, Istanbul/Türkei, Varna/Bulgarien sowie Constanza/Rumänien.
An Leixoes kann ich mich aufgrund seines kilometerlangen und seinerzeit einsamen Strandes recht gut erinnern. Vielleicht ist er heute genau so zugebaut wie bei uns die Costa del Sol. Im Stadtzentrum haben wir uns den "MagoS", einen in Sektflaschen abgefüllten Perlwein, schmecken lassen.

Es bot sich an, von hier aus einen Abstecher in die Nachbarstadt Porto zu unternehmen. Porto ist im Gegensatz zu Leixoes eine auf einem Hügel terrassenförmig angelegte Stadt, die dominiert wird von ihrer berühmten Brücke "Ponte Dom Luis I". Die malerische Altstadt ist heute Weltkulturerbe und ihre schönen alten Bodegas ziehen sich unten am Douro-Fluss entlang. Als ich in einer der vielen Bodegas ein Gläschen Portwein genoss, lernte ich dort einen Rechtsanwalt kennen, der einige Kilometer flussaufwärts am Douro ein Weingut besaß. Zu vorgerückter Stunde fragte er mich, ob ich Interesse an der Portweinherstellung habe. Natürlich war ich neugierig und so verabredeten wir uns für den nächsten Tag. Er holte mich vereinbarungsgemäß mit seinem PKW ab. In seiner Begleitung befand sich eine hübsche junge Frau von ca. 20 Jahren. Die Fahrt ging über abenteuerliche Serpentinen, immer mit Blick auf den tief unten liegenden Douro, die Berge hinauf zu den Weingütern. Ich schaute mir das Herstellungsverfahren an und war mehr als erstaunt darüber, dass die Trauben von Frauen mit nackten Füßen zertreten wurden. Da mein Gastgeber hier und da ein Gläschen seines Weines probierte, bat er mich, mit seinem Fiat 600 zurückzufahren. Nach einigem Hin und Her setzte ich mich ans Steuer und ehe ich mich versah, befand sich die junge Dame doch tatsächlich neben mir. Unterwegs erteilte mir mein Gastgeber noch ein paar Ratschläge und Verhaltensregeln, denn zu jener Zeit regierte in Portugal der Diktator António de Oliveira Salazar. Zur eigenen Sicherheit sollte man es also nach Möglichkeit vermeiden, irgendwo negativ aufzufallen.

Aber wie das Leben so spielt, wurde ich von der Polizei angehalten. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob ich überhaupt den Führerschein bei mir hatte, und wenn ja, dann wäre er zur damaligen Zeit sowieso nur in Deutschland gültig gewesen. Jedoch das Glück war mal wieder auf meiner Seite, ich durfte weiterfahren.

Den Abend verbrachten wir erneut in einer der Bodegas in Porto. Die junge Dame und ich kamen uns dabei näher, die gegenseitige Sympathie war sehr groß. Nach meiner Bemerkung, dass dies heute für mich der letzte Tag in Leixois bzw. Porto ist, schien sie sehr traurig und als ich ihr erzählte, dass mich die Reise nun nach Lissabon führt, entgegnete Sie spontan, dass wir uns dort wiedersehen.

In Lissabon angekommen, war ich gespannt, ob Marina-Antoinette P. mir tatsächlich gefolgt war. Am späten Nachmittag - es war kaum zu glauben - stand sie mit einer Begleitperson an der Pier. Wir verabredeten uns für den Abend zu einem Essen in der Altstadt. Auch Lissabon mit seinen historischen Gebäuden und der Straßenbahn begeisterte mich. Wir verbrachten gemeinsam einige sehr nette Stunden und verabredeten uns erneut für den kommenden Tag.

Am nächsten Morgen kamen einige Hafenarbeiter mit der neuesten Tageszeitung zu mir und fragten mich, ob das nicht die junge Frau ist, die gestern bei mir war. Dabei zeigten sie auf ein Foto in der Zeitung. Auch ich erkannte sie sofort wieder. Sie wurde von der Polizei gesucht, stammte aus einer sehr wohlhabenden Familie in Paris und hielt sich bei ihrer Großmutter in Portugal zu Besuch auf. Von dort war sie verschwunden. Diese Nachricht verunsicherte mich sehr aufgrund der damals in Portugal herrschenden Diktatur, so dass ich es vorzog, mich nicht mehr mit ihr zu treffen. Ich war erleichtert, als wir schließlich den Hafen verließen. Danach habe ich noch sehr oft an Marina-Antoinette gedacht und auch Post nach Paris geschickt. Wir haben aber nie wieder etwas voneiander gehört.

In Barcelona war es ein Muss, am Tage über die Ramblas zu flanieren, die Markthalle zu besuchen und am Abend in einer der vielen Hafenkneipen zu verweilen.

Istanbul hat mich begeistert, insbesondere die "Blaue- bzw. Sultan-Ahmet-Moschee", die "Hagia Sophia", der Bazar "Capali Carsi" mit seinen vielen Goldschmuckläden und die hölzerne "Galata-Brücke" aus dem Jahre 1912. Hier konnte man gemütlich sitzen und dem regen Treiben auf den Fischerbooten und Fähren zusehen. Die Fischer landeten ihre frisch gefangenen Sardinen an, die auf alten Ölfässern gebraten und dann in Zeitungspapier eingewickelt verkauft wurden. Ich habe nie wieder in meinem Leben so leckere Sardinen gegessen. Leider ist diese Holzbrücke im Jahr 1992 abgebrannt und durch eine moderne ersetzt worden. Die Fahrt durch den Bosporus ins Schwarze Meer fand immer nur im Konvoi in eine Richtung statt. Im Kriegsfall konnte der Bosporus mit schwimmenden Minenbarrieren zugezogen werden.

In Bulgarien und Rumänien habe ich vom Landgang abgesehen. Die Reedereiagentur hatte uns davon abgeraten, weil damals unter kommunistischer Diktatur ein striktes Nachtausgehverbot für Ausländer herrschte. Bei Nichteinhaltung dieses Gesetzes konnte man sehr schnell und für längere Zeit im Knast landen.


* * * * *


US-Ostküste/US Golf von Oktober bis Dezember 1960 im Liniendienst für Stinnes.

Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
. . .
USA
USA


Wir wurden mal wieder in den Ozean/Stinnes-Liniendienst eingebunden, in Kurzform "Florida-Dienst" genannt. Meine Stellung als 2. Ing. erlaubte es mir, Kontakt mit den Passagieren zu unterhalten. Hier lernte ich auf der Ausreise eine ältere Dame aus Orlando/Florida kennen. Sie erzählte mir von einem ausgewanderten Bremer, der in Savannah im Hotel "De Soto" (heute Hilton De Soto) als technischer Leiter tätig ist. Sie arrangierte ein Treffen mit ihm. Es handelte sich um einen sehr netten, gastfreundschaftlichen und hilfsbereiten älteren Herrn. Er war Anfang des 20sten Jahrhunderts mit 15 Jahren in die USA ausgewandert. Auf einem riesigen Grundstück besaß er ein für die USA typisches Holzhaus. Das Grundstück hatte eine für mich kaum vorstellbare Ausdehnung von 12 Minuten Autofahrzeit bei 60 Meilen/h. Mit anderen Worten ausgedrückt ca. 20 km Länge. Im Laufe weiterer Reisen entwickelte sich zwischen uns eine herzliche Freundschaft. Seine Gastfreundschaft durfte ich auch dann genießen, wenn er mal unabkömmlich war. Er stellte mir sein ganzes Haus mit der Bemerkung zur Verfügung: "Fühl Dich wohl und iss, was im Kühlschrank ist". So etwas wäre bei meinen Eltern unmöglich gewesen. Auch das Hotel wurde mir mit all seinen technischen Raffinessen von den Untergeschossen bis hin zum Penthouse gezeigt.

Sein Sohn arbeitete in einer der größten Papierfabriken des Landes. Er arrangierte eine Betriebsführung und ich erfuhr alles über die Herstellung des Papiers vom Baumstamm bis zu den fast 6 Tonnen wiegenden Papierrollen. Beim Laden ist mal eine Rolle vom Gabelstapler gefallen und in den Hafen gerollt. Es geschah an einem Freitag und so trieb die Rolle über das Wochenende im Wasser und ragte lediglich 2 bis 3 cm aus dem Wasser. Am Montag nach dem Bergen aus dem Hafen stellte sich heraus, dass nur 3 Lagen des Papiers durchgefeuchtet waren, so fest wurden die Rollen in der Fabrik gewickelt. Papierrollen dieser Art waren ein großer Bestandteil unserer Ladung nach Europa.

In Jacksonville kam stets der Seemannspastor an Bord und arrangierte mit seinem VW-Bulli Fahrten für wachfreies Bordpersonal zu nahegelegenen typisch amerikanischen Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel Marineland-Aquarium, nach St. Augustine zum angeblich ältesten Haus der USA und zu einem Krabbenfischer.

St. Augustin Marineland-Aquarium
Der Seemannspastor mit seinem VW-Bulli beim Krabbenfischer

Vielfach wurde ich von amerikanischen Familien zu ihnen nach Hause eingeladen. Es handelte sich immer wieder um die gleichen Häuser mit einem großen, ungemütlichen Wohnzimmer. In der einen Ecke stand der Fernseher, in der anderen Ecke die Klimaanlage und in der Mitte ein kleiner niedriger Tisch, umsäumt von einigen Sesseln. Meist wurden die Füße auf den Tisch gelegt und - wie schon an anderer Stelle erwähnt - eiskaltes Bier aus Dosen getrunken. Ich konnte damals verstehen, dass sich viele Amerikaner nach deutscher Gemütlichkeit sehnten.

Besuch eines "Schwarzen"-Viertels:
Eigentlich hatte ich den Besuch eines Schwarzenviertels in den USA schon seit längerer Zeit geplant. Am Strand von Galveston in der Nähe der - für die damalige Zeit - riesigen, hölzernen Achterbahn kam mir die Idee, es in die Tat umzusetzen. Vor dem Betreten des Viertels erkundigte ich mich nach einem größeren, meinen Wünschen entsprechenden Lokal. Langsam ging ich auf das Ghetto zu. Die Straßen wurden dunkler, schmutziger und mich überkam das Gefühl der Angst. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und ging auf das empfohlene Lokal zu. An den Häuserecken standen im Halbdunkel zwielichtige Personen. Prostituierte warteten auf Freier.

Beim Öffnen der Tür erblickte ich einen großen Saal, in dem eine fröhliche Stimmung bei Livemusik mit Tanz herrschte. Als die Leute mich bemerkten, verstummte die Musik und ich wurde umgehend von großen, muskulösen Schwarzen umzingelt. Ich wagte nur einen kurzen Blick in die Runde, sah aber keinen einzigen Weißen. Die mich in ihre Mitte genommenen Personen gaben mir unmissverständlich zu verstehen, dass es sich hier um ein Schwarzenlokal handelt und Weiße nicht erwünscht sind. Einen kurzen Augenblick musste ich mich fangen, dann erzählte ich ihnen den Grund meiner Anwesenheit.

"Am Ende des zweiten Weltkrieges waren amerikanische Truppen in das kleine Städtchen Hitzacker, in das wir während des Krieges evakuiert wurden, einmarschiert. Trotz der Warnungen meiner Mutter - mein Vater war noch in französischer Gefangenschaft in Marokko - gingen wir Kinder zu den Besatzern, die uns Kaugummi und andere Süßigkeiten gaben. Ganz besonders sollten wir uns von den Schwarzen fernhalten, denn sie galten scheinbar als böse Menschen. Wie wir jedoch feststellten, waren ausgerechnet sie am nettesten und von ihnen bekamen wir die erste Schokolade in unserem Leben. Jetzt bin ich hier, um mich dafür auf meine Weise zu bedanken, indem ich allen eine Runde Bier spendiere".

Die Gesichter der Schwarzen entspannten sich und aus dem anfänglichen Misstrauen wurde schnell eine Freundschaft. Ich verbrachte fast die ganze Nacht mit ihnen und aus Sicherheitsgründen brachten sie mich sogar zurück an Bord. Ich versprach eine Freundschaft für immer, kam aber erst Jahre später noch einmal nach Galveston. Es hatte sich dort soviel verändert, dass ich das Lokal nicht wiedergefunden habe.

Fazit meiner ersten Reisen als 2. Ingenieur:
Als junger Ingenieur bereiteten mir die Probleme mit den beiden Hauptmotoren einiges Kopfzerbrechen. Ich grübelte Tag und Nacht, was man verbessern oder verändern könnte, ohne noch größere Schäden anzurichten.

Zuerst wurden bei Havarien an kleinen Maschinen und Aggregaten Schadenanalysen gemacht. Ich konnte es verstehen, dass bei einer Kreiselpumpe ein Schaden am Kugel- oder Rollenlager auftrat und dieses ausgetauscht wurde. Was ich allerdings nicht akzeptieren konnte und wollte, wenn das gleiche Lager nach kurzer Zeit wieder defekt war und man tauschte dieses ohne nachzudenken erneut aus. Keiner dachte über die Ursache nach. Es lag allerdings auch viel an den damaligen Chiefs, dass Untergebene nicht zu denken hatten. Es war jetzt für mich die Zeit gekommen, das Personal besser und gezielter zu schulen. Hier war der Fehler mit einfachen Mitteln gefunden. Es handelte sich um eine Unwucht des Pumpenkreisels, die schnell behoben wurde. Die Pumpe lief jetzt störungsfrei. Die Maschinencrew hatte es begriffen, mitzudenken. Ein Lob von mir förderte das Selbstbewusstsein und sie merkten zudem auch, dass die Havariearbeiten weniger und die Freizeit größer wurde.

Jetzt blieb nur noch das Problem mit den Hauptmotoren. Wie schon erwähnt, machte ich Aufzeichnungen über den Zustand der gezogenen Kolben. Es kristallisierte sich heraus, dass das Problem höchstwahrscheinlich in der starken Verkoksung der Ölabstreifringe lag. Den Kolben wurde zu viel Öl zugefügt, welches dann von den Ringen abgestreift werden musste. Was konnte man ändern? Da fiel mir die Geschichte des Schamanen von Kolumbien ein: "Viel hilft nicht immer viel". Nach Rücksprache mit dem Chief, die Zylinderschmierung zu drosseln, erntete ich nicht viel Zustimmung. Es waren nämlich die Chiefs, die in der Vergangenheit die Ölmenge kontinuierlich erhöht hatten. Wir einigten uns dann, bei dem zuletzt gezogenen Kolben die Schmierung zu reduzieren. Sicherlich war das ein großes Wagnis von mir. Dieser Zylinder stand während des Betriebes unter besonderer Kontrolle. Der Kolben wurde, wie üblich, nach 2000 Stunden gezogen. Er sah bedeutend besser aus als die anderen. Die nächste Revision erfolgte bei 4000 Stunden und nochmaliger Reduzierung der Schmierung. Er sah sehr zufriedenstellend aus einschließlich der Ölabstreifringe. Nun gingen wir auf 6000 Stunden, ohne Komplikationen. Nach diesen Erfolgen wurden alle 19 Kolben in Rekordzeit gezogen und entsprechend dem Probanten verändert. Alles verlief störungsfrei, die Luft im Maschinenraum wurde sauberer und die Arbeitszeiten humaner.


Kontrolle der beiden MaK-Hauptmotoren, im Hntergrund die elektrische Schalttafel


Anmerkung Reserveteile:
In der Maschine mussten laut Klassifikationsgesellschaft eine bestimmte Anzahl von Ersatzteilen mitgeführt werden. Aufgrund der erheblichen Kosten, die die Hauptmotoren bis zu diesem Zeitpunkt verursachten, wurde versucht, diese an anderer Stelle wieder einzusparen, um der Reederei zu zeigen, wie sparsam man ist. Verbrauchte Ersatzteile wurden nicht durch neue ausgetauscht. Es gab die Unsitte, den alten Schrott an der Stelle zu platzieren, der für neue Reserveteile bestimmt war. Meine Argumente bezüglich der Wichtigkeit gebrauchsfähiger Ersatzteile fruchtete nicht. Alle alten und als neuwertig gelagerten Teile sind Betrug am Nachfolger. Bei anstehenden Werftliegezeiten machte ich die Gutachter der Klassifikationsgesellschaften diskret auf diese Missstände aufmerksam und bekam daraufhin neue Reserveteile. Später sagte man mir nach, ich schmeiße alte Teile immer gleich über Bord. Mein Grundsatz hieß: "Ersatzteile, die nicht reparaturfähig sind, gehören nicht mehr an Bord".


Urlaub
Am 15. Dezember 1960 musterte ich von der "Barbara" ab, um meinen Urlaub anzutreten. Einen Tag später unternahm ich mit meiner damaligen Freundin einen Spaziergang am Weserdeich. Es sollte wohl so sein, dass gerade in diesem Moment ein Kühlschiff der Union-Reederei weserabwärts fuhr. Mich packte das Fernweh. Deshalb rief ich am nächsten Tag bei meiner Reederei an, um möglichst schnell wieder zur See zu fahren zu können. Zwei Tage später - allerdings eine Reise früher als geplant - musterte ich auf der "Mülheim-Ruhr" an. Meine Freundin gab mir daraufhin den Laufpass.


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MS "MÜLHEIM-RUHR"




Größenverhältnis: Mensch/Motor
Mit freundlicher Genehmigung durch Historisches Archiv der MAN Augsburg
MAN K6Z 78/140
Antrieb:

1 MAN 2-Takt Kreuzkopfdieselmotor K6Z78/140 mit Schwerölbetrieb und Turboaufladung, Kolbenunterseiten als Spülluftpumpen
6 Zylinder, 780mm Kolbendurchmesser, 1400mm Hub, 115rpm,
6750 PSe, direkt umsteuerbar
Antrieb direkt auf die Schraubenwelle

3 MAN Hilfsdiesel, 220 V Gleichstrom

Foto: U.Lodders
MAN-Fahrstand.


Weihnachtsreise von Rotterdam nach Lobito/Angola vom 20. 12.1960 bis 28.2.1960 für Hugo Stinnes.

Niederlande
Niederlande
Flagge der damals noch portugiesischen Provinz Angola
Flagge der damals noch portugiesischen
Provinz "ANGOLA"

heutige Flagge von Angola
heutige Flagge von "ANGOLA"
Niederlande
Niederlande


Es war mein erstes Schiff mit einem direkt auf dem Propeller angetriebenen langsamlaufenden Zweitaktkreuzkopfdieselmotor mit Turboaufladung. Auch der Schiffstyp war ziemlich neu. Die Maschine befand sich im Achterschiff und nicht, wie früher üblich, mittschiffs. Diese neuartige Bauweise hatte für den Reeder den Vorteil, dass das kostbare Mittschiffs als Laderaum zur Verfügung stand. Der Reeder will ja schließlich Ladung transportieren und damit Geld verdienen. Dieser neue Schiffstyp hatte in der Anfangsphase, wie es meist üblich ist, einige Probleme. Die sehr kurze Welle vom Motor bis zur Schraube war sehr starr und konnte die auftretenden Schwingungen und Vibrationen nicht kompensieren. Das hatte oft Lagerschäden am Motor zur Folge. Der Reedereiinspektor wollte, dass ich diesen Schiffs- und Motorentyp kennenlernte, da alle weiteren Neubauten der Reederei mit diesem Typ geplant waren.

Vater - Mutter - Sohn

Auf dieser Reise befanden sich mein Vater als Ltd. Ing. und meine Mutter als Passagier an Bord, was schon eine Strafe für mich war. Hinzu kamen der eingebildete und arrogante 3.Ingenieur, der Elektriker, der sich für etwas Besseres hielt sowie der aufsässige und nervige Storekeeper, die ich alle drei absolut nicht ausstehen konnte. Es sollte aber noch schlimmer kommen, denn Angola liegt auf der südlichen Erdhalbkugel, so dass eine Äquatortaufe anstand.

Neptun und Thetis' Gefolge haben alles erdenklich Brutale, was man sich einfallen lassen konnte, bei mir angewandt, denn ich hatte keine Chance, mich zu wehren.
"Hier geht es zu meiner Äquatortaufe"


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Nach einem Gastspiel auf der MS "MÜLHEIM-RUHR" kehrte ich auf die MS "BARBARA" zurück.




Südamerika Westküste vom 15. April 1961 bis 10. August 1961 in Charter für KNSM Koninklijke Nederlandsche Stoomboot Maatschappij, Amsterdam


Die Reise führte uns von Westeuropa mit Stückgut und Dynamit an die Westküste Südamerikas. Unsere Anlaufhäfen waren Cristobal in Panama, Buenaventura in Kolumbien, Guayaquil in Ecuador, Callao, Matarani und Mollendo in Peru sowie Arica, Antofagasta, Tocopilla, Valparaiso, San Antonio und Talcahuano in Chile.
Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
Frankreich
Frankreich
. . .
Panama
Panama
Kolumbien
Kolumbien
Ecuador
Ecuador
Peru
Peru
Chile
Chile


Nach der Überquerung des Nordatlantiks und der Karibik wurde zunächst in Cristobal gebunkert. Aufgrund unserer Gefahrgutladung mussten wir am Eingang des Panama-Kanals so lange warten, bis der komplette Schiffskonvoi den Kanal passiert hatte. Wir fuhren allein hinterher, um niemanden zu gefährden. Gegenverkehr gab es nicht. Die Passage verlief ohne besondere Ereignisse. Jedoch herrscht im Panama-Kanal-Gebiet eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit, hervorgerufen durch die sehr ergiebigen Regenschauer und die darauffolgende intensive Sonnenstrahlung. Aus den Windhutzen im Maschinenraum tropfte das Wasser. Obwohl sämtliche blanken Maschinenteile vor der Durchfahrt eingeölt wurden, war nach kurzer Zeit alles mit Rost überzogen.

Im Außenbereich des Schiffes herrschte striktes Feuer- und Rauchverbot. Aber wie der Teufel es so will, hat doch jemand heimlich an Deck geraucht und seine glühende Kippe auf den Rand der Ladeluke gelegt, warum auch immer. Die Lukenabdeckung, sie bestand damals aus Holzbohlen mit einem Überzug aus Segeltuch, fing Feuer. Das beherzte Eingreifen der Besatzung verhinderte eine Katastrophe. Der Verursacher konnte jedoch nicht ermittelt werden. Das Dynamit wurde in Buenaventura - der erste Hafen an der Westküste - gelöscht und war für den kolumbianischen Bergbau bestimmt. Buenaventura war für sein ausgeprägtes Nachtleben bekannt, das berüchtigte Viertel hieß in der Seemannssprache "Schanker-Hill" und ist unter den Seeleuten weltweit bekannt.

Zwischen den Häfen von Buenaventura und Guayaquil verlief der Äquator, so dass nach nur 6 Monaten erneut eine Äquatortaufe anstand. Jetzt hieß es, mein Versprechen als aktive rechte Hand von Neptun einzulösen, so wie ich es mir nach meiner Taufe geschworen hatte.

"Hier geht es zur Äquatortaufe mit mir als Thetis"

Guayaquil liegt ca. 50 km landeinwärts am Guayafluss und ist ein Bananenhafen. Es befanden sich viele Schiffe im Fluss vor Anker und nur wenige an der Pier. Auch hier war das Klima extrem schwül-heiß. Das Nachtleben spielte sich in einer Kneipe ab, die einer Österreicherin gehörte. Nie in meinem Leben habe ich eine Musikbox gesehen, die derartig mit Eisenstangen gesichert war. Nur für den Einwurf der Münzen gab es eine kleine Öffnung. Bereits hier in Guayaquil wurden wir von anderen deutschen Schiffsbesatzungen darauf hingewiesen, dass in den peruanischen Hafenkneipen ein extrem starker Stoff ausgeschenkt wird.

In Peru sind wir die beiden Häfen Matarani und Mollendo nicht direkt angelaufen. Hier wurden die wenigen Kisten auf Reede liegend direkt vom Schiff auf Flöße oder Barges umgeladen.

In Callao gingen ein paar Kameraden und ich mit ca. zweistündiger Verspätung von Bord. Wir landeten in den Kneipen, in denen zuvor andere Crews eingekehrt waren. Nur saßen diese nicht mehr auf ihren Barhockern, sondern lagen vor dem Thresen, weil sie von ihren Hockern gefallen waren. Dermaßen vorgewarnt, bestellten wir ein anderes Getränk, das später einmal eines meiner Lieblingsgetränke wurde. Es handelte sich um "Pisco sour".Das Originalrezept gibt es auf unserer Rezeptseite.

Die Liegezeit in Callao erlaubte es mir, mit der Schiffsführung auf Einladung der Reedereiagenten zur Hauptstadt Lima zu fahren, in der ich unter anderem für meine Mutter einen hochwertigen Alpacastoff kaufte.

Dann führte die Reise weiter nach Chile, über Antofagasta und Tocopilla nach Valparaiso.


Die "Barbara" in Chile am Rande der Atacama-Wüste.

Ausflug nach Santiago de Chile, mit beinahe fatalen Folgen
In Valparaiso unternahm ich mit dem Kollegen Harm K. aufgrund der wiederum langen Liegezeit eine Busreise vom 14. bis 17. Juni 1961 in die 100 km entfernte Hauptstadt Santiago.

Busticket von Santiago nach Valparaiso

Busticket von Valparaiso nach San Antonio

Auch hier dominierten die vielen spanischen Kolonialbauten das Centrum der Stadt. Nach unserer Rückkehr in Valparaiso verschlug es uns die Sprache, den unser Schiff war nicht mehr da, obwohl wir rechtzeitig zurück waren. Was sollten wir nun machen? Der nächste Hafen war San Antonio. Uns blieb also keine andere Wahl, als mit dem Bus hinterher zu fahren. Glücklich in San Antonio angekommen, sahen wir nur noch das Heck unseres wiederum auslaufenden Schiffes. Während wir mit langen Gesichtern dastanden, sprach uns ein Einheimischer an. "Seid Ihr von der "Barbara", dann kommt bitte mit". Wir stiegen auf ein Motorboot und erreichten noch rechtzeitig vor dem Verlassen des Lotsen unter großem Applaus der Besatzung unser Schiff. Es war das einzige Mal während meiner Seefahrtzeit, dass ich achtern rausgesegelt bin, aber es war nicht unsere Schuld. Aus welchen Gründen auch immer, die "Barbara" hatte acht Stunden vor der geplanten Abreise den Hafen verlassen.

An Bord zurück, erwartete mich noch eine weitere Überraschung. Der Messesteward war verschwunden und mit ihm auch mein neues Grundig Tonbandgerät TK 45. Er hat es wohl zu Geld gemacht, um für eine Weile in Chile bleiben zu können.

Die Reise ging weiter nach Talcahuano, wo wir den südlichsten Hafen auf dieser Reise erreichten. Auf der Rückreise liefen wir Callao, Guayaquil, Buenaventura sowie Cristobal zum Bunkern an.

Wie in vielen Ländern üblich, kamen auch in Guayaquil fliegende Händler an Bord, um ihre Waren anzubieten. Meist handelte es sich um landestypische Handwerkskunst mit Ausnahme eines Händlers. Er zeigte uns ein scheinbar ziemlich zahmes Tier mit langem Schwanz. Wir kamen mit ihm ins Gespräch und erfuhren bei der Gelegenheit, dass es sich um einen Honigbären handelte. Ich nahm ihn auf den Arm und ehe ich mich versah, war ich Eigentümer dieses exotischen Tieres. Fast die ganze Besatzung zeigte sich sehr angetan von dem neuen Crewmitglied. Am Abend jedoch wurde er plötzlich munter. Bis zu dem Zeitpunkt war mir nicht bekannt, dass Honigbären nachtaktive Tiere sind. Er machte mehr Unfug als Freude, besonders Bierflaschen zogen ihn magisch an. Er versuchte, jeden Tropfen mit der Zunge aus der Flasche herauszulecken. Aber es kam der Tag, an dem ich ihn zur Abwechslung mal geärgert habe. Unter seine Marmelade strich ich scharfen Senf. Das hat er mir - glaube ich - nie verziehen. Eines Tages jedoch lief er mir weg und war durch die zufällig aufgehende Maschinenraumtür in der Maschine verschwunden. Ich fürchtete, dass er in die von oben offene elektrische Schalttafel klettern und einen Kurzschluss auslösen könnte, aber es ging Gott sei Dank alles gut. Er wurde oft von der Besatzung mit Süßigkeiten verwöhnt, aber letztlich war ich froh, als ich ihn in Europa im Zoo abgeben konnte.

Yogi der Honigbär

. . . an der Bierflasche


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US-Ostküste/US Golf von Juli bis September 1961 im Liniendienst für Stinnes.

Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
. . .
USA
USA


Schwarze Witwe
Bei einem Spaziergang in der Nähe des Hafens von Corpus Christi entdeckte ich an einer Landstraße ein paar herrlich blühende Blumen. Es handelte sich um Amaryllis. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich noch eine Vielzahl auf der Erde herumliegende Knollen dieser Blume. Ich kam auf die Idee, von diesen Zwiebeln einige mit nach Deutschland zu nehmen, um sie in Töpfe zu pflanzen oder zu verschenken. Die besten Zwiebeln suchte ich mir aus und stopfte sie in meine Hosen- und Jackentaschen. An Bord legte ich sie in die Schublade unter meiner Koje. Am nächsten Tag erzählte ich meinen Kollegen von meinem Fund. Um ihnen die Blumenzwiebeln zu zeigen, öffnete ich die Schublade. In dem Moment kam mir eine ausgewachsene "Schwarze Witwe" entgegen. Nach dem ersten Schock schlugen wir das Gifttier tot. Beim Transport der Spinne in meinen Taschen muß ich wohl einen Schutzengel gehabt haben.


Panzer
Unser Schiff befand sich schon einen Tag auf der Heimreise von der US-Golfregion nach Europa, da erhielt der Kapitän ein Telegramm mit folgender Order: Bitte laufen sie nochmals den letzten Hafen an, um Panzer zu laden. Das Kriegsgerät war für die noch junge deutsche Bundeswehr bestimmt.
Auf der Heimreise, beim Verlassen des Golfs von Mexiko, gerieten wir in die Ausläufer eines Hurrikans. Aus welchen Gründen auch immer hatten sich einige Halteseile der Panzer gelöst. Sie waren im oberen Zwischendeck auf Baumwollballen geladen.

Das Schiff wurde beigedreht . . .















. . . gegen Wind und Wellen

Zur Sicherheit von Schiff und Besatzung wurde der Kurs geändert. Das Schiff fuhr jetzt mit langsamer Geschwindigkeit gegen Wind und Wellen, damit es möglichst wenig rollte (nach Backbord und Steuerbord überholen). Die Decksbesatzung wurde damit beauftragt, im Laderaum zugängliche Ballen zwischen die sich hin und her bewegenden Panzer zu platzieren. Diese Arbeiten wurden unter Lebensgefahr ausgeführt. Die Kolosse sind anschließend mit verstärkten Stahlseilen gesichert worden. Gelöscht hat man sie in Bremerhaven, da sich die US Militärbasis für Europa damals noch dort befand.


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1 Reise Kuba - Mexiko/US Golf von Oktober bis Dezember 1961 im Liniendienst für Stinnes.

Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
. . .
Kuba
Kuba
Mexiko
Mexiko
USA
USA


Die letzte Kuba - Reise
Auf der letzten Reise nach Kuba wurde dem Kapitän das Einlaufen in Havanna verweigert. Wir wurden nach Mariel umgeleitet, um dort Zucker zu laden. In Mariel erkundigten wir uns nach dem Preis für eine Fahrt nach Havanna. Der Fahrer machte uns darauf aufmerksam, dass es Straßenkontrollen aufgrund des Machtwechsels geben könnte, die nicht immer friedlich verlaufen. Zu Viert willigten wir ein, akzeptierten den Fahrpreis und waren uns der Gefahrenlage bewusst.

In Havanna, wo früher das Leben vor Freude sprühte, herrschte nur noch Tristess. Die Hafenkneipen waren so gut wie leer. Die Besitzer, die es noch rechtzeitig geschafft hatten, waren außer Landes geflohen. Durch Streitereien von Befürwortern und Gegnern von Fidel Castro hatte es schon Tote - leider auch Seeleute darunter - bei Schießereien in der Hafengegend gegeben. Wir tranken ein oder zwei Kuba Libre - der Name Kuba Libre war seit dieser Zeit fehl am Platz - und kehrten mit bitterem Nachgeschmack nach Mariel zurück.

Es war auch aufgrund der Kuba-Blockade die letzte Reise eines Stinnes-Schiffes im Kuba-Mexiko-Liniendienst.


Mein erster Ausflug nach Mexiko City
Auf Einladung einer mexikanisch/deutschen Familie unternahm ich im November 1961 meine erste Reise nach Mexiko City. Um nicht allein auf die Tour zu gehen, fragte ich an Bord, ob jemand Interesse hat, mich zu begleiten. Es dauerte nicht lange, bis ich jemanden gefunden hatte, und zwar den Assi Lorenz B. Wir stiegen in Veracruz um Mitternacht in den ADO-Bus, der Mexiko City um 08.00 in der Früh erreichte. Während der Fahrt haben wir im Bus geschlafen und dadurch einen Urlaubstag gespart. Das Busterminal lag sehr zentral, so dass Lorenz B. und ich das von unseren Gastgebern ausgesuchte Hotel "Del Valle" in der Independencia zu Fuß erreichten. Nach einer kurzen Erfrischung erkundeten wir das Zentrum rings um den Zocalo mit der Kathedrale, dem Präsidentenpalast sowie den vielen schönen alten Kolonialbauten. Am Abend trafen wir unsere Gastgeberin Reingard E, die uns spontan zur Namenstagsparty einer Freundin mitnahm. Dort befanden sich überwiegend junge Leute - die auf Kissen an allen freien Wohnungswänden sitzend - Zärtlichkeiten austauschten. Zum Empfang hängte man uns ein Rehauge um, das uns Glück bringen sollte. Aus einem riesigen Bottich servierte man eine köstliche Tequila-Bowle und zum Essen eine Vielzahl mexikanischer Spezialitäten. Lorenz und ich knüpften Kontakt zu zwei jungen Damen, mit denen wir uns für den kommenden Tag verabredeten. Gegen Mitternacht verließen wir die Party. Am Vormittag des nächsten Tages trafen wir uns mit den Mexikanerinnen und besuchten gemeinsam die Pyramiden von Teotihuacan und das Azteken-Stadion.

"Sherlock Holmes" begutachtet die Händlerwaren

Sonnenpyramide von Teotihuacan

Aztekenfigur

Zur damaligen Zeit musste man Touristen bei den Pyramiden noch suchen und auch Händler befanden sich nur wenige dort. Allerdings war es noch möglich, Originalfunde zu erwerben. Ich hatte das Glück, auf einen einheimischen Archäologen bei seiner Arbeit zu treffen. Wir kamen ins Gespräch und als er heraushörte, dass ich Deutscher bin, war ich ihm sofort sympathisch. Zum Abschied schenkte er mir eine von ihm vor geraumer Zeit ausgegrabene Aztekenfigur. So nett können nur Mexikaner sein!


Die außergewöhnliche Bibliothek der Universität

Evelia und ich am Aztekenstadion

Abends ging es ins Stadtzentrum zum Essen. Am nächsten Tag stand eine Corrida (Stierkampf) in der größten Arena der Welt auf dem Programm. Ich konnte es kaum glauben, wie fanatisch sich ausgerechnet die Frauen beim Stierkampf verhielten. Sie warfen Handtaschen, Hüte etc in die Arena, während sie dem Torero mit lauten Ole-Rufen zujubelten. Für mich war es die erste und letzte Corrida.


Corrida in der "Plaza de Toros México Monumental"

mit 48000 Plätzen größten Stierkampfarena der Welt

Zum Abschied schenkte mir Evelia einen Christopherus-Anhänger aus Silber. Er sollte mich auf allen meinen Reisen vor Unheil beschützen. Diesen Anhänger besitze ich noch heute. Er wird von Auto zu Auto mitgenommen und über dem Fahrersitz sichtbar befestigt.
Wir verabschiedeten uns vom Gastgeber und den Mexikanerinnen, die uns auf unserer Excursion begleitet hatten und nahmen wiederum den Nachtbus für die Rückfahrt nach Veracruz.

Noch bis heute hat mich Mexiko City in ihren Bann gezogen. Vom ersten Tag an war ich in die wunderschöne Stadt verliebt.



Azoren als Nothafen
Bei der Seefahrt passieren Dinge, über die an Land niemand ein Wort verliert. Auf der Heimreise von der Caribik mussten wir eine der Azoreninseln als Nothafen anlaufen, um dort einen an Bubo erkrankten Matrosen abzusetzen. An Land hätte niemand etwas von der Krankheit erfahren.


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1 Reise nach Murmansk zum Jahreswechsel 1961/62 für Stinnes.

Eine außergewöhnliche Reise machten wir im Dezember 1961 nach Murmansk auf die Halbinsel Kola in Russland. Der Hafen ist begünstigt durch den Golfstrom und trotz seiner Lage nördlich des Polarkreises auch im Winter eisfrei. Murmansk, das frühere Romanow, ist der Hauptstützpunkt der russischen Eismeerflotte und war bis 1991 militärisches Sperrgebiet.

Deutschland
Deutschland
ehemalige UDSSR
ehemalige Sowjet-Union
Norwegen
Norwegen
Niederlande
Niederlande


Zur damaligen Zeit in die UDSSR zu fahren, verursachte bei mir ein gewisses Magenkribbeln. Das bestätigte sich auch bei der Immigrationskontrolle sowie beim Ein- und Auslaufen. Jedes einzelne Besatzungsmitglied wurde persönlich kontrolliert. Ich hatte immer den Eindruck, die Russen dachten, jemand möchte sich vielleicht ins Land einschleichen. Aber wer wollte das schon? Der Umtausch der DM in Rubel wurde streng dokumentiert.

Ein Rubel von 1961 entsprach damals fünf DM

Landgangsausweis der UDSSR

Am Abend ging es an Land, um in einem Restaurant zu essen. Wir betraten einen riesigen Saal, der fast bis auf den letzten Platz besetzt war. Die durch den Wodka sehr ausgelassen wirkenden Einheimischen hießen uns willkommen. Man erkannte an unserer Kleidung, dass wir Seeleute waren. Nach dem sehr reichlichen und guten Essen wurden wir von den Russen zu einem Umtrunk eingeladen. Die Bestellung des Wodkas in Mengen von 100, 200 oder mehr Gramm war für uns sehr ungewöhnlich.

Schiffe anderer Reedereien, wie zum Beispiel der Schlüsselreederei, fuhren hier fast im Liniendienst. Sie hatten sogar russische Freundinnen, was offiziell verboten war.

Mit Erz beladen verließen wir in der Silvesternacht 1962 Murmansk Richtung Rotterdam. Nachdem wir die Barentssee durchquert und das Nordkap erreicht hatten, wurde es so stürmisch, dass sich der Kapitän entschloss, durch die norwegischen Fjorde zu fahren. Das Problem war jedoch, ausgerechnet am Neujahrstag und dann noch bei Sturm einen Lotsen zu bekommen. Die Fahrt durch die Schären Anfang Januar bot uns ein Naturschauspiel allererster Güte. Die Felsen waren bis zum Meer schneebedeckt. Sie sahen aus wie schwimmende Eisberge. Man glaubte jeden Augenblick einen dieser Felsen zu rammen, aber dann tat sich dahinter eine neue Lücke zum Passieren auf. Da es zu dieser Jahreszeit nur kurz hell wird, besaß diese Fahrt etwas Mystisches.


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1 Reise US-Ostküste/US Golf von Januar bis März 1962 im Liniendienst für Stinnes.

Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
. . .
USA
USA


16/17.2.1962 in Charleston:
Zur damaligen Zeit war es üblich, dass der Funker, wenn möglich, auch im Hafen die Nachrichten abhörte und sie dann mit der Schreibmaschine auf DIN A4 Papier mit vorgedruckter "Hamburger Abendblatt"-Kopfzeile hämmerte. Diesmal erreichte uns die Hiobsbotschaft vom Jahrhunderthochwasser in Norddeutschland, insbesondere Hamburg. Viele der dort lebenden Besatzungsmitglieder waren besorgt und wollten umgehend mit ihren Familien Kontakt aufnehmen. Nur war es damals nicht so einfach, mal eben zu Hause anzurufen und billig war es außerdem nicht.

Glücklicherweise sind seinerzeit keine Familienangehörigen oder Freunde zu Schaden gekommen. An Bord herrschte eine gewisse Niedergeschlagenheit, weil man so weit von der Heimat entfernt nicht helfen konnte.


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1 Reise von Aahus/Dänemark nach Casablanca/Marocco, März/April 1962 für Stinnes.

Deutschland
Deutschland
Dänemark
Dänemark
Marocco
Marocco
Niederlande
Niederlande

Heute ist es unvorstellbar, wie damals das Getreide geladen wurde. LKW's brachten es in Säcken zur Pier. Hier wurden diese aufgeschnitten und mit einem kleinen Förderband in die Ladeluken transportiert. Da Getreide bei Seegang sehr leicht verrutschen und das Schiff in akute Gefahr bringen konnte, mußten extra aus Holz gefertigte Kammern in den Luken installiert werden. Hätte man die Säcke im Ganzen verladen, wäre diese aufwendige Prozedur überflüssig gewesen und hätte eine Menge Arbeit und Kosten gespart. Und jetzt kommt das Kuriose: in Casablanca wurde das Getreide von einer Vielzahl von Hafenarbeitern in den Luken wieder in Säcke gefüllt. Vielleicht wollte man mit dieser Aktion Leute beschäftigen? Die Liegezeiten in beiden Häfen beliefen sich auf ca. 10 Tage. Was für ein Wahnsinn!

Zumindest hatten die Hafenarbeiter in Aahus ihre Freude daran, wenn am Vormittag mein Damenbesuch das Schiff verließ. Für sie war es eine Augenweide, ihr rotes, hüftlanges Haar in der morgendlichen Sonne wehen zu sehen. Sie riefen jedesmal: "Das Feuerschiff ist wieder da"!


Arbeiter in der Luke beim Füllen von Getreidesäcken

. . . und beim Zunähen der vollen Säcke

Obwohl ich mir zuvor in Casablanca die Genehmigung zum Fotografieren der Leute im Laderaum eingeholt hatte, waren wohl einige davon nicht sehr begeistert und bedrohten mich mit langen Messern. Ich ließ mich daraufhin zwei Tage nicht an Deck blicken.

Für die Rückreise nach Rotterdam wurden Zwiebeln geladen.


Kamele aus Rabat
Auf dieser Kurzreise befanden sich die Witwe des ehemaligen Reedereiinspektors und die Gattin des Chiefs als Passagiere an Bord. Die "Drei" hatten mich zu einer Besichtigungstour per Taxi von Casablanca nach Rabat eingeladen. Die Witwe kaufte auf dem Basar von Rabat zwei unterschiedlich große, aus Leder gefertigte Kamele von ca. 20 und 25 cm Größe. Bei der Rückkehr an Bord stellte sie als Talismann das große in die Kommandobrücke und das andere in die Maschine auf den Manöverstand. Auf meine Frage, warum wir denn das kleine und nicht das große Kamel bekommen haben, erwiderte sie: "Auf der Brücke arbeiten doch die größeren Kamele"!


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2 Reisen Mexiko/US Golf von Mai bis August 1962 im Liniendienst für Stinnes.

Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
. . .
USA
USA
Mexiko
Mexiko


Jetzt ging es endlich mal wieder nach Mexiko. Die Reisen verliefen ohne besondere Vorkommnisse.

Bordfriseur
Da ich vorher keine Zeit hatte mir die Haare schneiden zu lassen, musste mich der "Bordfriseur" für Mexiko auf Vordermann bringen.


Der Bordfriseur - ein Matrose - verpasst mir ein gepflegtes Aussehen für den Landgang.

Ich saß mal wieder mit einem Kollegen im "El Globito" auf der Plaza von Tampico, um ein leckeres Speiseeis zu essen. Am Nebentisch ließ sich eine kleine Gruppe von mexikanischen Musikern nieder, um für eine Geburtstagsfeier zu spielen. Während einer Spielpause sprach ich die drei Heren an, ob sie Lust hätten, am nächsten Tag im Hafen auf der "Barbara" zu musizieren. Wir vereinbarten einen Preis für eine bestimmte Zeit. Die Musiker erschienen pünktlich zum vereinbarten Termin. Zuerst spielten sie an Deck und anschließend bei mir in der Kammer. Es sollte ein unvergeßliches Erlebins für mich werden und so bin ich bis heute ein Fan mexikanischer Musik.


Im "El Globito" auf der Plaza von Tampico

Mexikanische Musiker in meiner Kammer

Die Musikdarbietung sollte tatsächlich die letzte schöne Erinnerung an die Zeit auf der "Barbara" werden. Am 10. August 1962 musterte ich nach zuletzt 16-monatiger ununterbrochener Fahrtzeit zum dritten Mal von der "Barbara" ab. Es war eine Zeit mit Höhen und Tiefen, Frust und Freude, harter Arbeit und schönen Erinnerungen. Mit der Abmusterung sind nur noch Erinnerungen von dem Schiff geblieben.


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Begegnungen auf hoher See

Namentlich nicht identifizierte Segelschiffe

Ein Vollschiff . . .

und noch ein Vollschiff . . .

und eine Bark

Passagierschiffe

SS "Hanseatic"

MS "Kungsholm"

Interessantes

Feuerschiff "Texel""

"Eisberg"

Leuchtturm "Neue Weser"

. . . und die Lieblinge der Seeleute . . .

die Delphine


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Küstenvertretung vom 23. Oktober 1962 bis 5. November 1962 auf MS "EDMUND HUGO STINNES"



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TS "HARVEY S. MUDD"




Antriebstechnik:



Zwei General Electric Hochdruck Dampfturbinen
über Getriebe 12.500 PSe
Propellerdrehzahl 115 rpm


Um Erfahrung auf einem Turbinenschiff zu sammeln, ließ ich mich von meiner Reederei für eine Reise beurlauben. Zur damaligen Zeit waren Schiffe mit Turbinenantrieb wegen der großen Leistung noch weit verbreitet. Der Massengutfrachter "Harvey S. Mudd" gehörte der San Juan Comp. und fuhr unter Liberiaflagge.

Liberia


Für das unter Monrovia/Liberia-Flagge fahrende Schiff benötigte ich dieses Liberia Patent

1 Reise Niederlande - Peru vom 26. November 1962 bis 21. Januar 1963 in Charter für Johs. Fritzen, Emden


Seinerzeit pendelte das Schiff zwischen den USA und Peru, um von dort Erz in die Staaten zu bringen. Die US-Regierung verhängte damals ein Anlaufverbot von liberianischen Schiffen in ihre Häfen. Die unter deutscher Flagge fahrenden Frachter der Fritzen-Reederei übernahmen den Peru-USA-Dienst. Die Schiffe der SJC fuhren dafür Peru-Rotterdam.

Niederlande
Niederlande
Panama
Panama
Peru
Peru
Panama
Panama
Niederlande
Niederlande


Obwohl wir den Äquator überquerten, fand eine Taufe nicht statt, denn es gab keine Täuflinge.

Es war meine zweite Reise durch den Panama-Kanal. Ich war wiederum beeindruckt von den Schleusen mit der modernen Technik und ihren E-Loks. Ein wahres Wunderwerk der Technik. Im Gatún-See gingen wir vor Anker, um von hier ca. 10.000 Tonnen Frischwasser ins Schiff zu pumpen. Das kostbare Gut wurde in Peru für die Minenarbeitersiedlung von San Juan in Tanks umgepumpt.

San Juan de Marcona liegt in einem Wüstenstreifen, der sich an der Küste von Nord- bis Südperu erstreckt. In diesem Gebiet regnet es fast nie, es ist die trockenste Gegend der Welt. Dort wächst auch kein Baum und kein Strauch. Daher bestand diese Minensiedlung auch nur aus ein paar Hütten und Kneipen. Nach Erzählungen der Einheimischen wurden einen Tag vor Ankunft der Erzschiffe die Fenster und Türen der Hütten und Kneipen mit Holzbrettern zugenagelt. Man hatte nämlich schon versucht, in das Haus des Lotsen einzubrechen, um seine Frau zu vergewaltigen. Eine Kneipe blieb für die Schiffsmannschaft zum Betrinken offen. Die Schiffe - es paßte nur immer eines in den Hafen - lagen stets direkt an der Erzpier neben den riesigen Förderbändern. Da die Frachter beim Beladen sehr schnell ihren Tiefgang änderten, wurden diese nicht - wie sonst üblich - mit einer Gangway zum Landgang versehen. So mußten die Seeleute die Lotsenleiter herunterklettern und durch eine Sandwüste ins Dorf marschieren. Nach dem Zechgelage in der geöffneten Kneipe konnten sie nicht mehr mit eigener Kraft an Bord kommen. Man legte die "Schnapsleichen" in ein Netz und hievte sie mittels Ladebaum an Bord.

So beeidruckend die Technik der Schiffsturbinenanlage mit seinen Kesseln und seinem Hilfsbetrieb waren, so ungewöhnlich war für mich die Besatzung. Entgegen den Gepflogenheiten bei der Stinnesreederei gab es hier zum Beispiel nur eine Flasche Bier pro Person und Tag. Einige sammelten die Flaschen eine Woche und stellten sie dann am Wochenende auf die Heizung, um wenigstens einmal das Gefühl zu haben betrunken zu sein. Nach dieser Reise war ich froh, wieder auf einem Schiff meiner alten Reederei arbeiten zu können!

Auf See




Panama-Kanal Durchfahrt

Im Panama-Kanal

In der "Mira Flores" Schleuse

Erzhafen von "San Juan" in Peru

Am Rande der Atacama-Wüste

Foto: H.J. Hollstein
TS "HARVEY S MUDD" an der Erzpier



Wüstensand soweit das Auge reicht

Traktor mit Erz

Rückkehr nach Rotterdam
Nach ca. 2 wöchiger Rückreise vom Rande der Actacama-Wüste in Peru und durch den schwülheißen Panama-Kanal erwartete uns in Rotterdam eisige Kälte. Der Hafen war voller Eisschollen, die beim Anlegen des Schiffes mit Kränen und Schleppern zwischen Schiff und Pier mühselig beseitigt werden mussten.

Dicke Eisschicht im Hafen
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MS "EDMUND HUGO STINNES" ex "ANDREA"



Antriebstechnik wie MS "BARBARA"



Nachdem ich die Maschinenanlage der "Barbara" laut Meinung der Reedereiinspektion sowie der Schiffsführung von Kapitän und Chief zu deren vollsten Zufriedenheit auf den neuesten Stand der Technik gebracht hatte, sollte ich dieses Kunststück auch auf dem Schwesterschiff, der "Edmund Hugo Stinnes", der ehemaligen "Andrea" vollziehen.


15 Reisen im Stinnes-Liniendienst nach Mexiko/US Golf sowie US-Ostküste/US-Golf in unregelmäßigen Tournus vom 28. Februar 1963 bis 1. August 1964 und vom 3. Oktober 1964 bis zum 7. Februar 1966

Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
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Mexiko
Mexiko
USA
USA


Während dieser Reisen begann ich mit der gleichen Prozedur: "Werkzeuge im Maschinenraum suchen, denn ohne Werkzeug keine ordentliche Arbeit"! Da hierfür noch keine Werkzeugtafel vorhanden war, wurde eine nach dem Vorbild des Schwesterschiffes gefertigt. Einige technische Veränderungen hatte der Inspektor aufgrund meiner Maschinenberichte auf diesem Schiff bereits veranlasst. Es erleichterte etwas die Arbeit, aber es lagen noch Wochen harter Arbeit vor uns.


Eine "wahre" Begebenheit, kein Anglerlatein!
In den US-Häfen war wie immer, nichts los. Als einzige Ausnahme lässt sich Georgetown S.C. hervorheben. Das Lotsenboot und der Schlepper im Hafen bestanden aus ein und demselben Schiff, einem Krabbenfischerboot. Bei den Lotsen handelte es sich um zwei Brüder, die sich einander ergänzten, denn der eine konnte schlecht hören und der andere schlecht sehen. Das ist kein Scherz, sondern eine Tatsache. Der kleine Hafen von Georgetown bestand lediglich aus einer Pier und lag mitten in einem Sumpfgebiet am Sumpit-River in unmittelbarer Nähe einer Papierfabrik. Das Angeln hier war ein Erfolgserlebnis. Aale in großen Mengen holten wir aus den Wasser, die anschließend geräuchert oder gebraten verzehrt wurden. Nach der zweiten Reise nahm sich unser Bootsmann "Paule" extra einen Tag Angelurlaub. Seine Körpermaße in Größe und Umfagd waren in etwa gleich. Er mixte sich in einer riesigen Plastikschüssel aus mehreren Dutzend Eiern, jeder Menge Zucker und einer Flasche Weinbrand einen Eierlikör. Mit der Angel und dem Eierlikör setzte er sich zum Fischen an die Uferböschung. Dabei hatte er gar nicht mitbekommen, dass viele Fische und auch Aale tot an der Wasseroberfläche trieben. Mit einer Schöpfkelle förderte er das Getränk von der Plastikschüssel in seinen Mund. Der einzige Aal, den er dabei gefangen hatte, war am Abend verschwunden. Dafür war der Bootsmann "voll" und seine Plastikwanne "leer". Wie wir später in Erfahrung bringen konnten, hatten die Papiermühlenbetreiber irgendwelche Tanks entleert und dadurch das Fischsterben verursacht.


"Geht nicht, gibt's nicht" lautet das Motto bei der Seefahrt
Wie sollte es auch anders sein, der Kombüsenlüfter fiel in der heißesten Gegend, im Golf von Mexiko, aus. Da es sich nicht um einen elektrischen Defekt handelte, demontierte der Elektriker den mit einem Durchmesser von ca. 800mm großen Lüfter. Bei anschließender Kontrolle stellte sich heraus, dass das Kugellager auf der Lüfterradseite defekt war. Beim Abziehen des Lüfterrades ,um das Lager austauschen zu können, brach ein Lüfterflügel ab. Was konnten wir jetzt unternehmen? Die Kombüse brauchte bei den herrschenden Temperaturen unbedingt eine funktionierende Belüftung. Einen zweiten Flügel zu entfernen, der sich dem abgebrochenen gegenüber befand, war nicht möglich, da er über eine ungerade Anzahl von Flügeln verfügte. Das Anschweißen des abgebrochenen Flügels war fast unmöglich, da das Material aus Aluminium bestand.

Zu der Zeit hatten wir einen Chief an Bord von der Statur eines Mohamed Ali, ein Hühne mit großer Klappe, der nach seinen Aussagen schon viele Widersacher zu Boden gestreckt hat. Er fuhr früher angeblich bei den größten und besten amerikanischen Tankerreedereien, bei denen alles viel besser war als bei Stinnes. Warum er hier an Bord war, hat er mir nie verraten. Stand in irgendeinem Hafen eine Impfung an, auch wenn die Spritze noch so klein war, fiel der Chief kreidebleich in Ohnmacht.

Nun zurück zu dem Kombüsenlüfter. Der Chief meinte, wir müssen das abgebrochene Teil mit dem an Bord befindlichen autogenen Schweißgerät anschweißen. Dazu wurde noch Aluminiumschweißdraht benötigt. Gemeinsam suchten wir an der Pier von Houston nach alten Aluminiumteilen und tatsächlich fanden wir ein dickes ausrangiertes Aluminiumkabel. An Bord wurde es eingeschmolzen und in einem auf die Spitze gestellten Winkeleisen zu einem Barren gegossen. Jetzt staunte ich nicht schlecht, als der Chief mit der selbstgegossenen Alustange den abgebrochenen Flunken des Lüfterrades anschweißte. Der Lüfter lief nach seiner Montage wieder reibungslos.


Wir haben es geschafft!
Nach ein paar Reisen hatten wir den Stand der "Barbara" erreicht. Jetzt konnten wir Wartungsarbeiten, die sonst die Werft bei anstehenden Werftliegezeiten durchgeführt hatte, vornehmen. Auf Wache haben wir dann vor lauter lange Weile die aus Bronze bestehenden Schalter und Abzweigdosen der Elektroanlage von der Farbe befreit und poliert. Kupferrohre wurden wieder geputzt. Der Maschinenraum erstrahlte im neuen Glanz.


Man sollte eigentlich glauben, dass der Chief aufgrund des störungsfreien Maschinenbetriebes, glücklich und zufrieden ist. Leider hatten wir jedoch ein etwas gestörtes Verhältnis zueinander. Er wurde "Hein Paddel" genannt, weil er watschelte wie eine Ente. Es passte ihm nicht, dass ich erst am frühen Morgen vor Arbeitsbeginn vom Landgang zurückkam. Er stand in seiner Chiefkammer hinter dem Bullauge und beobachtete mich. Ich handelte mir eine Standpauke mit den Worten ein: "So etwas geziemt sich nicht für einen 2. Ingenieur, erst frühmorgens mit anderen Besatzungsmitgliedern an Bord zurückzukehren. Ich hörte mir sein Gemecker an und ließ mir währenddessen etwas einfallen. Am nächsten Morgen schlich ich mich mit schwarz gefärbten Schnauzbart und gekleidet wie ein Mexikaner zusammen mit den Hafenarbeitern an Bord. Er hat mich nicht erkannt und so herrschte für einige Zeit auf beiden Seiten Ruhe.

Ich, der "Mexikaner"

Irgendwann jedoch ist er mir auf die Schliche gekommen und das Theater begann von vorn. Der Chief hatte die Angewohnheit, abends gegen 21.00 Uhr einen Rundgang durch den Maschinenraum zu unternehmen, da ein diensttuender 4. Ingenieur seine Wache übernahm. Eines Tages jedoch platzte mir der Kragen. Ich habe die halbe Crew zusammengetrommelt und wir sind, während er in der Maschine war, splitternackt mit einem Schleifchen um den Penis, im Gänsemarsch in den Maschinenraum marschiert. "Hein Paddels" Reaktion bestand nur aus einem Ausruf: "Seid ihr alle schwul?!!" Aber seit diesem Tag wurde er in der Maschine nicht mehr gesehen und es herrschte eine himmlische Ruhe.


An Bord stinkt's
Die Bordverpflegung war, wie fast immer, sehr gut. Die am frühen Morgen frisch gebackenen Brötchen noch warm mit Butter und etwas Salz zu essen, war für mich ein Genuss. Oft hatte der Bäcker zur 10.00 Uhr Kaffeezeit ein aufgewärmtes Brötchen parat.


Foto: B, Engelmann
Heute brutzelte mal unser Bäcker in der Kombüse

Hin und wieder sah ich, wie jemand mit hauchdünn geschnittenem Knoblauch sein Brötchen belegte. Es reizte mich, diese Variante auch mal zu probieren und ich musste musste anschließend zugeben, dass es recht gut schmeckte. Am nächsten Morgen steigerte ich mich und verwendete längs halbierte Zehen, am darauf folgenden Tag sogar ganze Zehen, die auf dem Brötchen ganz eng nebeneinander lagen. Es dauerte nicht lange, bis meine Kollegen zu mir sagten: "Du stinkst fürchterlich nach Knoblauch." Daraufhin meine Antwort: "Ich rieche nichts." Nach einer Woche und jeder Menge Knoblauch wurde ich von fast allen Besatzungsmitgliedern gemieden. Kam mir irgendjemand entgegen, drehte er sich sofort um und ging in die entgegengesetzte Richtung. Es war auch üblich, zum Wachende einige Maschinendaten per Telefon den Offizieren auf der Brücke zu übermitteln. Erkannte man dort meine Stimme, rief man nur: "Es stinkt hier schon durchs Telefon!" und der Hörer fiel auf die Gabel. Mich spornte dieser enorme Knofikonsum von Tag zu Tag immer weiter an. Beim Pinkeln bemerkte ich eines Tages im Urin kleine Flocken. Erklärung: Der viele Knoblauch reinigte meinen Körper. Je mehr wir uns den Tropen näherten, umso mehr aß ich von den Zehen. Es kam jedoch der Tag, an dem mir durch meinen eigenen Schweiß ein penetranter Geruch in die Nase stieg und mir wurde klar, dass meine Kollegen schon die ganze Zeit diese unangenehme Ausdünstung haben ertragen müssen. Der letzte Tag meiner "Knofisucht" war damit gekommen. Ab sofort aß ich ihn nur noch in kleinen Mengen. Die Kommunikation mit meinen Kameraden wurde innerhalb kurzer Zeit wieder normal.

Fazit der Geschichte: "Man sollte nichts übertreiben, sondern die Kirche im Dorf lassen."


Coatzacoalcos
Es löste nicht immer Begeisterung aus, wenn es hieß, die Reise geht auch noch nach Coatzacoalcos, obwohl es nicht weit von Veracruz entfernt ist. Coatzacoalcos ist der südlichste Hafen im Liniendienst US-Golf / Mexiko. Die Stadt hat nichts zu bieten. Es gibt weder ein Stadtzentrum, noch eine Plaza mit Restaurants und kein richtiges Nachtleben. Es herrscht dort ein unangenehm schwül - heißes Klima vor.

Plaza von Coatzacoalcos

An der Plaza von Coatzacoalcos

Das Löschen und Laden von Stückgut war normalerweise gering und somit die Hafenliegezeit recht kurz und erträglich. Meist ging es anschließend noch an die Schwefelpier, um ca. 2000t dieses gelben Pulvers zu laden. Während des Ladevorganges wurden sämtliche Bullaugen, Türen und Schotten abgedichtet, sowie die Lüfter der Wohnräume und Maschine abgeschaltet, weil der Schwefel durch jede Ritze ging. Im Schiff stieg dadurch die Temperatur ins Unerträgliche.

Der Chief "Hein Paddel" hatte Freunde in Coatzacoalcos und wurde oft von ihnen eingeladen. Ab und zu hatte ich das Glück, dass er mich mitnahm. Ich war froh, dadurch den widrigen Verhältnissen an Bord entfliehen zu können. Wir wurden abgeholt und als wir das Anwesen erreichten, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Grundstück gehörte einem Deutschen , der während des zweiten Weltkrieges seiner Heimat den Rücken gekehrt und in Mexiko eine Unterwasserbaufirma aufgebaut hat. Auch verfügte er über beste Beziehungen zum damaligen mexikanischen Präsidenten. Das Grundstück glich einer Festung. Die Mauern waren angeblich mit Steinquadern aus Goldminen gebaut. Bewacht wurde das komplette Anwesen von einer bewaffneten Privatgarde. Im Innenbereich des Grundstückes befanden sich prächtige, geschmackvolle Gebäude, wie z. B. das Herrenhaus mit separatem Gebäude für die Schlafzimmer, Schlafhaus, Küche, Gästehäuser, Personalunterkünfte, Partybungalows etc. Nach meinem Eindruck konnte es in Hollywood nicht luxuriöser sein. Das Essen, die Getränke und der Service ließen keine Wünsche offen. Eine junge, bildhübsche mexikanische Köchin fiel mir ganz besonders auf. Mit ihr hätte ich gern eine Nacht verbracht, aber leider bot sich keine Gelegenheit.


An der Schwefelpier von Coatzacoalcos

Foto: B. Engelmann
Planierraupe in der Ladeluke zum Einebnen des Schwefels

Coatzacoalcos hat aber auch zwei berühmte Töchter.

Salma Hayek, eine Hollywoodschönheit und
Malinche, geboren etwa 1501. Sie war die Dolmetscherin und spätere Geliebte von Hernan Cortez, dem Eroberer Mexikos, aber auch Verräterin der Azteken.

Malinche und Hernan Cortez


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Bordpersonal
Kam es zum Personalwechsel, kannte man die Leute meist schon von anderen Schiffen. Es war bis dato bei Stinnes üblich, dass man der Reederei die Treue hielt. Dies galt für Kapitäne, Ingenieure, Offiziere sowie für alle anderen Dienstgrade.

Auch in der Seefahrt hatte sich einiges geändert. Das Personal suchte sich die besten Schiffe mit den schönsten Fahrtgebieten und der wenigsten Arbeit aus. Es gab neue Schiffe mit nur einem modernen 2-Takt Dieselmotor. Diese waren natürlich nicht so arbeitsintensiv wie zwei 10 Zylinder 4-Takt Motoren. Außerdem wirkte es sich bei unserer Reederei negativ aus, dass das Führungspersonal wie Kapitän und Chief noch nicht im Rentenalter und keine Neubauten geplant waren. Die jungen Patentinhaber sahen in naher Zukunft keine Aussicht auf Beförderung. Eine logische Folgerung war, dass die Besten die Reederei verließen, um zu jungen, dynamischen Schifffahrtsunternehmen mit besten Aufstiegschancen zu wechseln.

Der Einfluss der amerikanischen Gewerkschaften machte sich mittlerweise auch zunehmend in Deutschland bemerkbar. Dem Personal versprach man immer mehr Rechte zu und das Pflichtbewustsein blieb dabeimeistens auf der Strecke. An Bord waren Diziplin und Ordnung nun mal ein "Muss", es gehörte einfach zur Schiffssicherheit.

Mit der Forderung der Gewerkschaften konnte ich mich nicht anfreunden. Warum hat man die Gehälter, wie zum Beispiel des 2. Ingenieurs, immer weiter dem des Chiefs angepasst? Es gab keine Anreize, Chief zu werden, wenn man als 2. Ing. fast das gleiche verdient, aber keine Verantwortung übernehmen muss. Es erinnerte mich an den Sozialismus von Karl Marx, jeder soll das gleiche Geld bekommen, ob Arzt oder Arbeiter. Es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn auch die Angestellten der Gewerkschaften das gleiche verdienen würden wie ihre Chefs.

Auch mir bereitete das Maschinenpersonal Sorgen. Die neuen Assis, die an Bord kamen, waren nicht mehr mit ihren Vorgängern zu vergleichen.

Ein Assistent beim Abschmieren der Hauptmaschinen

Ich beim Einregeln und Zuschalten eines Generators an der elektrischen Hauptschalttafel


Die Lehrausbildung hatte sich verändert. Hinzu kam noch, dass man jetzt auch als Assi fahren konnte, ohne vorher in einem von der Ingenieurschule anerkannten Betrieb gelernt zu haben. Jetzt begnügte man sich mit 6 Monaten als Nachweis. Viele kamen aus der damaligen DDR und meinten, hier fliegen ihnen die gebratenen Tauben direkt auf den Teller. Mit wenigen Ausnahmen war ich mit dem in den Westen geflohenen Maschinenpersonal nicht zufrieden. Eines Tages stellte sich mal wieder ein Reiniger bei mir vor, der auch von "drüben" kam. Dieser junge Mann war derart fleißig, gewissenhaft und handwerklich geschickt, dass ich ihn schon nach der 2. Reise zum Storekeeper beförderte. Bis zum Ende meiner Fahrzeit hat er mich von Schiff zu Schiff begegleitet.

Maschinenpersonal, das in Hamburg angemustert hatte, aber nicht zur eingeteilten Wache erschien, wurde von mir im nächsten Hafen wieder nach Hause geschickt. Lieber habe ich mit einem Mann weniger die Rundreise angetreten, bevor mir diese Person die ganze Crew negativ beeinflusst.

Beschädigter Turbinenläufer - siehe Pfeil

Havarie der Abgasturbine auf der Heimreise
Es passierten trotz aller mit größter Sorgfalt ausgeführten Wartungsarbeiten unvorhersehbare Havarien.
Ich befand mich in meiner Kammer, als plötzlich ein Vibrieren verbunden mit einem ohrenbetäubenden Geräusch durch das ganze Schiff ging. Zuerst dachte ich, die Decksleute würden direkt vor meiner Kammer mit einer Rostklopfmaschine anfangen zu arbeiten. Dann bemerkte ich jedoch das Herunterfahren der beiden Hauptmotoren. In Windeseile begab ich mich noch vor dem Chief in den Maschinenraum. Auf dem Weg nach unten sah ich, wie es an einem Zylinderdeckel qualmte. Zwischenzeitlich hatte der wachhabende Ingenieur den Stb-Motor gestoppt und informierte mich über Probleme mit der Abgasturbine. Nach eingehender Kontrolle des Turboladers stellten wir fest, dass er sich nicht mehr bewegen ließ. Daraufhin beschlossen der Chief und ich den Ausbau des Turbinenläufers. Unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich, es waren einige Leitschaufeln vom Turbinenläufer herausgebrochen - siehe Pfeil. Durch Zufall entdeckte ich im Turbinengehäuse ein kleines Stück Metall. Bei genauerer Betrachtung stellte es sich als ein abgebrochenes Teil eines Ventilkegels heraus. Jetzt erinnerte ich mich an den qualmenden Zylinderdeckel. Ich ließ das Auslassventil ausbauen. Mit meiner Vermutung lag ich richtig, der Ventilkegel war defekt. Das Ventil wurde durch ein neues ersetzt. Mit einer Spezialvorrichtung des Turbinenherstellers rüsteten wir die Abgasturbine für den weiteren Betrieb um. Mit halber Kraft der Steuerbordmaschine und Volllast der Backbordmaschine konnte die Reise mit 13 anstatt der normalen 14 Knoten fortgesetzt werden. In Deutschland wurde die Turbine mit einem neuen Läufer instand gesetzt.


Anmerkung
Die Geschwindigkeit war damals bei gleicher Maschinenleisteng im Gegensatz zu den Schiffen der jetzigen Generationen etwas geringer. Die heutigen Schiffe mit Wulstbug sind geschweißt und haben somit eine glatte Außenhaut, dadurch ergibt sich ein geringerer Fahrtwiderstand gegenüber den damals genieteten Schiffen.



Der plumpe Steven eines genieteten Schiffes

Quelle: www.bildarchiv-hamburg.de
Wulstbug eines modernen Frachters gleitet wie ein Delphin durch das Wasser

Auf die Frage des Reedereiinspektors bei der Ankunft in Hamburg, ob das defekte Auslassventil vom 3. Ingenieur - der für die Hauptmaschinen verantwortlich ist - fehlerhaft überholt worden ist, erwiderte ich ihm, dass es sich in diesem Fall um einen Materialfehler handelt. Wäre er in der Lage gewesen, gegenüber der Versicherung ein menschliches Versagen nachzuweisen, hätte diese den Folgeschaden - hier den Turbinenläufer - bezahlt.

* * * * *


Arbeiten in der Maschine
Zur damaligen Zeit war wirklich noch alles reine "Handarbeit". Die schweren Ein- und Auslassventile wurden von einer Person aus dem Zylinderdeckel herausgezogen und dann durch überholte ergänzt. Das Lösen und Festziehen der Muttern des Zylinderdeckels erfolgte meistens mit drei Mann. Das Herunternehmen und Aufsetzen der Zylinderdeckel oder das Kolben- und Laufbuchse ziehen bzw. das Einsetzen erfolgte durch handbetätigte Kettenzüge. Reparaturen an den Hauptmaschinen auf See oder sofort nach dem Festmachen des Schiffes im Hafen erfolgte an den noch heißen Motoren. Der Auspuff zum Zylinderdeckel war besonders schwer zugänglich und mit seinen ca. 450°C recht warm. Handschuhe gab es nicht und mit ihnen hätte man auch kein Gefühl zum Ertasten der Schrauben gehabt. Ein weiteres Problem bestand in der Asbestisolierung der abgasführenden Anlagenteile. Durch Vibrationen hatte sich das Asbest in kleinste Teile verwandelt, so dass es überall herumflog. Erschwert wurden die Arbeiten auf See durch Seegang und hohe Maschinenraumtemperaturen von über 35° C. Die Zeit damals war kein Zuckerschlecken und trotzdem möchte ich sie nicht missen.

Wechseln der
Ein- und Auslass-Ventile

Kolben nach 6000 Betriebsstunden

Kolben einsetzen

Arbeiten im Triebwerk


Zylinderdeckel festziehen

Zylinderdeckel aufsetzen

Blick auf die beiden Hauptmotoren, Werkzeugtafel
und den dahinter befindlichen Fahrstand

Auch eine "Smoketime" musste mal bei der härtesten Arbeit sein


Auf See im Oktober 1963
Auf der Überreise nach Wilmington erhielten wir die Nachricht, dass unsere Reederei Vergleich anmelden musste.

Info: Vergleich der Hugo Stinnes Zweigniederlassung
Im Jahre 1952 trennten sich die Brüder Hugo und Otto Stinnes, um mit ihren Firmen eigene Wege zu gehen. Beide Brüder firmierten unter dem Namen "Hugo Stinnes". Otto Stinnes führte den Namen Hugo Stinnes von seinem Vater fort und Hugo Stinnes jr. als Hugo Stinnes persönlich. Diese Namensgleichheit sollte später fatale Folgen haben. Hugo Stinnes jr. musste aufgrund dubioser Geschäftspraktiken Konkurs anmelden. Durch die Namensgleichheit geriet auch Otto Stinnes in eine Schieflage, zumal die Kunden von der Hugo Stinnes Bank ihr Geld zurückforderten. Nur durch gute Freunde, Gönner sowie den Verkauf von Firmen und Beteiligungen konnte ein Teil von Otto Stinnes Imperium, dazu gehörte auch die Reederei, durch einen Vergleich mit den Gläubigern gerettet werden.



Catfischessen in Tampa, 19. bis 25. 10. 1963
Wie schon an anderer Stelle erwähnt, waren die US-Häfen weder kulturell noch historisch von Interesse, was unsere Unternehmungen entsprechend einschränkte. So war das Angeln hier eine gute Alternative.

In der Tampa Bay gibt es eine Fischart, die nicht mit einem gewöhnlichen Angelhaken, sondern durch sogenanntes "Reißen" gefangen wird. Ein großer 3- oder 4-flunkiger Hechthaken wird zum Beschweren am Schaft mit Blei versehen, in die Fischschwärme geworfen und anschließend ruckartig wieder eingeholt. Die Fische werden durch die Hakenspitzen irgendwo am Körper aufgespießt und an Land oder ins Boot geholt. Die Fangmethode ist deswegen erforderlich, weil sich der Fisch ausschließlich pflanzlich ernährt und somit nicht auf herkömmliche Köder reagiert. Wir haben diese Art des Angelns aufgrund negativer Erfahrung schnell wieder aufgegeben und uns dem erfolgreicheren Catfischangeln gewidmet.


Die meisten Amerikaner verabscheuen es, ihn zu essen. Wir haben den großen Fischen die Haut, wie beim Aal üblich, abgezogen, sie gesäubert, eventuell filetiert, gebraten und anschließend gegessen. Er schmeckte sehr lecker. Da die kleinen Fische schwierig abzuziehen waren, wurden diese nach dem Säubern mit der Haut gebraten. und wie Heringe nach Großmutters Art in einem Sud aus süßsaurem Essigwasser mit Kräutern und Gewürzen eingelegt. Zum Einkauf dieser Zutaten schickte ich Wolfgang T. mit einem Einkaufszettel an Land.

Die gebratenen sowie eingelegten Fische waren so lecker, dass mit diesem Tag ein neues Hobby auf meiner Liste stand.

Catfish - eine Welsart

Das Braten der Catfische im Ingenieurs-Waschraum auf einer Heizplatte für Zeugwäsche

Das Zubereiten von unterschiedlichen Fischarten, die wir in anderen Häfen geangelt hatten, wurde auf primitive Art aber mit Erfolg fortgeführt.

Kochfischzubereitung in einer ONKO-Kaffedose


Krieg der Maschinencrew
An Bord galt bei mir unter der Maschinencrew stets die Devise: "Arbeit ist Arbeit und Schnaps ist Schnaps". Die Hierarchie wurde gewahrt, ohne dass jemand erniedrigt wurde. Trotz aller Harmonie brach unter der Maschinenbesatzung eines Tages ein heftiger Krieg aus…

Beim Landgang in einem Hafen der US-Ostküste durchforsteten ein Kollege und ich vor Frust und Langeweile mal wieder einen Drugstore - ich glaube es war bei "Walgreen". Irgendwann kamen wir in die Spielzeugabteilung und sahen dort sehr naturgetreue Nachbildungen von Pistolen. Bei näherer Betrachtung stellten wir fest, dass es sich um Plastik-Wasserpistolen handelte. Kurz entschlossen kaufte jeder von uns eine dieser Schusswaffen. An Bord zurückgekommen, mussten wir das Spielzeug sofort ausprobieren. Es blieb dabei nicht aus, dass Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Es dauerte nicht lange, da wuchs die Anzahl der "Krieger" auf sechs oder sieben. Die Trefferquote bei Unbeteiligten stieg rasant an. Darunter befanden sich unter anderem der Chief, Decks- sowie Bedienungs- und Kombüsenpersonal. Es war fast wie im richtigen Krieg, einer fing an, andere beteiligten sich daran und schon artete es zum Flächenbrand aus.

Eines Tages wurde die Munition von einer Partei verschärft. Sie nahmen Seewasser anstatt Frischwasser, denn es brannte besser in den Augen. Auch die Kampffläche wurde immer weiter ausgedehnt. Zum Teil schoss man auch im Maschinenraum beim Wachwechsel aus dem Hinterhalt.
In einem der nächsten Häfen kaufte sich eine Gruppe der Besatzung effizientere Schussgeräte. Sie kamen mit Maschinenpistolen - die einen Drehmechanismus zum kontinuierlichen Wasserspritzen hatten - zurück.

Der Höhepunkt des Krieges wurde erreicht, als die ersten dem Wasser Parfum beimischten. Die Getroffenen stanken dann wie Hafennutten. Ich wollte daraufhin noch einen draufsetzen und ersetzte das Spritzwasser durch "Pitralon", - ein Rasierwasser - das aber nach kurzer Zeit meine Kunststoffpistole auflöste. Ich verbot daraufhin jegliche weiteren Kriegshandlungen. Es herrschte nun wieder Frieden, als ob es nie anders gewesen wäre.

Foto: W. Treiber

Foto: W. Treiber

Foto: W. Treiber

Die Schiffsführung hatte nur ein müdes Lächeln für uns übrig. Ich möchte nicht wissen, was sie gedacht haben.


22. 11. 1963 in Bremen - Kennedy Attentat
Es gehörte nicht zu meinen Gepflogenheiten, in der Heimatstadt durch die Kneipen der Innenstadt zu ziehen. Jedoch am Abend des 22. November 1963 hatten Harm K. und ich nach einem guten Kohl und Pinkel Essen den Remmer Bierkeller verlassen, um hinterher noch durch verschiedene Kneipen zu ziehen. Wir befanden uns schließlich in einem gut besuchten Lokal mit ausgelassener Stimmung. Aus der Jukebox ertönte gerade das von Peter Kraus gesungene Lied "Schwarze Rose, Rosemarie", als plötzlich die Musik verstummte. Wir suchten daraufhin andere Kneipen auf, aber auch hier herrschte Totenstille. Es dauerte einige Zeit, bis wir in Erfahrung bringen konnten, was passiert war: John F. Kennedy, der Hoffnungsträger für Deutschland, war in Dallas erschossen worden. Uns blieb nichts anderes übrig, als wieder an Bord zu fahren. Am darauffolgenden Tag hörte man überall dieselbe Frage: "Was soll nun aus Deutschland werden"?


27. 1. 1964 in Hamburg - Umbenennung in Monsun
Am 27. Januar 1964 wurde in Hamburg die "Edmund Hugo Stinnes" in "Monsun" umgetauft.

Die Stinnes-Flagge wurde eigeholt

MS "MONSUN"

... und die Monsun-Flagge gehisst

Mexiko City vom 22. bis 25. April 1964 - Eine Reise mit Hindernissen
Wie bei den vorangegangenen Reisen üblich, kauften Wolfgang (Leo) T. und ich die Bustickets spätnachmittags am ADO-Bus-Terminal für die Nachtfahrt nach Mexiko City und gaben gleichzeitig unser Reisegepäck auf. Der Aufenthalt sollte diesmal 4 volle Tage betragen, denn die lange Liegezeit in Veracruz machte es möglich.

Den Abend vor der Abreise verbrachten wir im "Mi Ranchito". Wir hatten uns nicht herauspeputzt - wie sonst üblich - da wir auf der Fahrt im Bus schlafen wollten. Es war beabsichtigt, die Kleidung nach unserer Ankunft im Hotel zu wechseln. Da wir im Mi Ranchito keinesfalls versacken durften, um unseren Bus nicht zu verpassen, befand sich unser Geld - von ein paar Pesos abgesehen - im Reisegepäck. Es verlief alles nach Plan und Wolfgang und ich bestiegen pünktlich um Mitternacht in leichter Kleidung unseren Bus. Wider Erwarten verfügte er über eine Klimaanlage, deren Temperatur jedoch so niedrig eingestellt war, dass wir während der gesamten Fahrt von 8 Stunden erbärmlich gefroren haben. Auch die 12° C Außentemperatur bei unserer Ankunft in M.C. ließ zu wünschen übrig. Jetzt konnte uns nur noch ein wärmender Pullover helfen.

An der Gepäckausgabe warteten wir jedoch vergebens auf unsere Reisetaschen. Auf Nachfragen sagte man uns, dass man sie leider in Veracruz vergessen habe, aber mit dem nächsten Bus würden sie mitgeschickt. Zur damaligen Zeit verkehrten lediglich zwei Busse am Tag zwischen Veracruz und Mexiko City, heute fahren mehrere Gesellschaften im 30-Minuten Takt. Nun befanden wir uns in dieser Megastadt ohne Gepäck und ohne Geld! Was für ein Alptraum. Wir überlegten, wie diese Situation am besten zu meistern ist. Auf dem Fußmarsch zum Hotel "Del Valle" - welches ich schon von früheren Reisen kannte - sahen wir im ersten Tageslicht, dass unsere Hemden mit Lippenstift der Mädchen aus dem Mi Ranchito in Veracruz beschmiert waren. Durch das Schlafen im Bus befand sich unsere Garderobe in einem schlechten Zustand und im Gesicht sahen wir zwei wie unrasierte Ganoven aus.

Der Empfangschef des Hotels erkannte mich zum Glück wieder. Ich erzählte ihm daraufhin von unserem Problem und wir bekamen ohne Schwierigkeiten ein Doppelzimmer. Nach dem Frühstück in der Hotelcafeteria kauften wir uns von den letzten Pesos zwei billige Hemden, die wir nach der Rasur beim Friseur auf der Toilette wechselten. Im Hotel ließen wir unsere Hosen vom Zimmermädchen aufbügeln. Danach unternahmen wir einen ausgiebigen Bummel durch das Stadtzentrum. Am Abend erkundigten wir uns bei ADO nach unserem Gepäck. Es war nicht mitgekommen und man vertröstete uns auf den Bus am nächsten Morgen.

Den Abend verbrachten wir im Nachtclub des Hotels und ließen die Zeche auf unser Zimmer schreiben. Am nächsten Morgen begaben wir uns wieder in die Cafeteria zum Frühstück und gingen anschließend erneut zum Busterminal von ADO. Mittlerweile kannte man uns. Wir konnten es nicht fassen, dass unser Gepäck wieder nicht mitgekommen war. Dafür vertröstete man uns erneut auf den nächsten Bus am Abend. Unsere Lage wurde immer brenzliger und wir fragten uns, wie es enden soll. Hinzu kamen schließlich auch noch zwei verlorene Tage. Wie am Vortag bummelten wir weitläufig durch die Stadt, zum Flohmarkt La Lagunilla und durch ein Museum. Zu allem Übel hatte ich mich auch noch für den nächsten Tag mit einer jungen Schweizerin aus Lausanne - die sich als Passagier an Bord befand - verabredet. Am Abend, als wir zum wiederholten Mal nach unserem Gepäck fragten, war meine Stimmung auf dem Tiefpunkt. Aber das änderte sich schlagartig, als wir es diesmal tatsächlich in Empfang nehmen konnten und dazu auch noch unversehrt. Im Anschluß daran suchten wir fein rausgeputzt das Restaurant im 1956 gebauten "Torre Latinoamericano" auf. Es war damals mit seinen 183 m das höchste Gebäude der Stadt.


Torre Latinoamericano

Auf dem Torre Latinoamericano

Blick vom Torre auf Bellas Artes


Blick auf Mexiko City in Richtung Zocalo

Blick auf Mexiko City in Richtung La Reforma


Hotel CORTES, eines der ältesten und schönsten der Stadt

Avenida Juarez

Avenida Hidalgo

Meine Verabredung klappte auch noch, denn am nächsten Tag trafen wir uns mit der jungen Schweizerin Mary-Luz und besichtigten gemeinsam die Universität mit seiner außergewöhnlichen Bibliothek und unternahmen eine Bootsfahrt auf den schwimmenden Gärten von Xochimilco.


Xochimilco-See

Mariachis

Mary-Luz und ich

Adios Xochimilco

Am letzten Tag bedankten wir uns im Hotel beim Empfangschef, bezahlten unsere Rechnungen und deponierten unser Gepäck bis zum Abend im Hotel. Jetzt hatten wir noch Zeit, um in aller Ruhe weitere Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Mit dem Nachtbus ging es ohne Probleme zurück nach Veracruz.
Es lohnt sich immer, die Landessprache ein wenig zu beherrschen, insbesondere in Mexiko. Findet die Kommunikation in Englisch statt, wird man in Mexiko sofort als "Gringo" eingestuft und erhält keine Hilfe.

Auf den Tag genau nach 25 Jahren - am 25.4.1989 - habe ich mit meiner Frau das Hotel nochmals aufgesucht. Es liegt direkt in der Zone, in der am 19. Sept. 1985 das Erdbeben der Stärke 8.1 mit über 10.000 Toten schwere Schäden verursachte. Die Gebäude an der Av. Hidolgo wurden stark beschädigt und waren zum Teil eingestürzt oder unbewohnbar. Das Hotel in unmittelbarer Nähe blieb unbeschädigt, war aber sehr heruntergewirtschaftet. Im März 2007 wurde es abgerissen.


Schornstein-Inspektion
Der Schornstein konnte vom Maschinenraum aus - ähnlich wie bei einem Kirchturm - begangen werden. Durch eine Luke erreichte man eine Plattform in der Größe von ca. 3x6 Metern mit einer 150 cm hohen Brüstung. In die Plattform ragten die 1 Meter langen Abgasleitungen der Haupt- und Hilsdiesel sowie des Heizkessels.


Foto: B. Engelmann
Aufstieg, vorbei an den Abgaskesseln in den Schornstein


Es gehörte zum Aufgabenbereich des 2. Ingenieurs, in regelmäßigen Abständen die am Ende der Abgasleitungen befindlichen Funkenfänger sowie die Regen- bzw. Wasserabläufe zu kontrollieren und darauf zu achten, dass der Deckel der Luke stets geschlossen war. In den US-amerikanischen Häfen wurde Funkenflug stark kontrolliert und gegebenenfalls auch bestraft.

Auf See kletterte ich mal wieder während meiner Wache nach oben in den Schornstein. Von dort hatte man aufgrund der Höhe einen weiten Blick übers Meer - aber an diesem Tag sah ich noch mehr als nur Meer. Vorne, unten am Schornstein befand sich das Peildeck, welches direkt über der Kommandobrücke lag. Auf dem Peildeck lagen unsere Passagiere wie Adam und Eva und beteten die Sonne an. Sie meinten wohl, dort einen nicht einsehbaren Platz gefunden zu haben. Ich genoss diesen liebreizenden Anblick und blieb dabei unbemerkt.

Da mir der Schalk fast immer im Nacken saß, ließ ich mir auch hier wieder etwas einfallen. Ich ging nach unten in die Kombüse und besorgte mir dort unauffällig eine Handvoll getrockneter Erbsen. Auf dem erneuten Weg nach oben ging ich zuerst in die Werkstatt und griff mir ein Wasserstandsglas. Diese Gläser können aus Glas oder auch aus Kunststoff sein, haben einen Innendurchmesser von etwa 8 mm, eine Wandstärke von 2 mm und eine Länge von einem Meter. Oben wieder angekommen, spielte ich Indianer und versetzte den ahnungslosen Passageusen mit einem gezielten Schuss eine Erbse auf das Hinterteil. Da sie einen starken Schmerz verursachten, sprangen die Grazien erschrocken auf und wussten nicht, was los war. Ich aber hatte meinen Spaß.

Mir kam zu Ohren, dass die Passagiere im Salon beim Essen über dieses Phänomen mit Kapitän, Chief und 1. Offizier gesprochen hatten, denn der Aufprall der Erbse auf den Körper hinterließ einen ansehnlichen blauen Fleck. Vielleicht hatte man mich in Verdacht, wer weiß? Auf jeden Fall habe ich nie verraten, dass ich hinter der Sache steckte.


Lebende Decksfracht
Auf der Reise im Mai/Juni 1965 vor der beginnenden Hurrikansaison hatten wir eine aussergewöhnliche Fracht an Bord genommen. Es handelte sich in diesem Fall um hochwertige Reitpferde. Wir hatten Glück, der Wettergott war uns gut gesonnen. So wurden die Tiere gesund und munter in ihrem Bestimmungshafen an Land gehievt. Während der Seereise betreuten die Pferde eine Begleitperson sowie unser Bootsmann. In der heutigen Zeit würden die Tierschützer gegen diese Art Transport sicherlich auf die Barrikaden gehen.

Aussergewöhnliche Passagiere "REITPFERDE"



Veränderungen der nautischen Ausbildung
Da es in der Seefahrt - wie auch in anderen Unternehmen an Land - Boom- und Krisenzeiten gab, veränderte man zugunsten der Nautiker die Ausbildung, weil sie immer etwas neidisch auf das technische Schiffspersonal schauten.

Ein Beispiel: wurde ein Kapitän in Krisenzeiten arbeitslos, stufte man ihn seitens der zuständigen Behörde als "ungelernt" ein und entsprechend niedrig fiel die Unterstützung aus. Der berufliche Werdegang eines Nautikers begann in der Regel als Moses. Das waren meist junge Leute ohne Lehre, die direkt nach der Schule zur See fuhren. Der Werdegang zum Nautiker verlief damals folgendermaßen: man arbeitete 1 Jahr als Moses, 1 Jahr als Jungmann, 1 Jahr als Leichtmatrose. Nach bestandener Prüfung - siehe Brief - konnte man anschließend als Matrose fahren. Die Schiffsführung war berechtigt, die einzelnen zu durchlaufenden Grade zu verkürzen, wie zum Beispiel bei HJ P, nur 6 Monate als Moses, 6 Monate als Jungmann und 12 Monate als Leichtmatrose. Anschließend war man auch Matrose. Bedingung war jedoch beim Erwerb eines nautischen Patentes, dass eine dreimonatige Schiffsjungenschule absolviert wurde. Diese hat man dann ebenfalls auf die Fahrzeit angerechnet.

Matrosenbrief

Einige gingen dann zur Seemannsschule und machten ihre Patente zum Wachoffizier bis hin zum Kapitän auf großer Fahrt. Da "Kapitän" kein Beruf, sondern nur ein Titel ist, wurden sie bei Arbeitslosigkeit als "Ungelernte" eingestuft und erhielten somit weniger Unterstützung. Um in Zukunft die Nautiker in Krisenzeiten besser zu schützen, wurde der "Matrose" zum Lehrberuf. Im Vergleich zum Schlosser oder Elektriker war diese jedoch nicht mit so hohen Anforderungen verbunden. Der Matrosenbrief wurde dem Facharbeiterbrief gleichgestellt.

Man ging sogar noch weiter. Bei bestandener Prüfung als "Kapitän auf großer Fahrt" mit dem Patent A6, bekamen die Absolventen zusätzlich ein Zeugnis als "Wirtschaftsingenieur"! Man wollte den Nautikern bessere Chancen geben, später eine Landstellung zu finden, ähnlich wie bei den Schiffsingenieuren. In der Wirtschaft konnte sich jedoch niemand etwas unter dem Wirtschaftsingenieur vorstellen. Somit war das Zeugnis ein Flop.


Arbeiten an Deck
Ein paar Impressionen über die Tätigkeiten vom Deckspersonal

Fetten der Ankerwinde

Kalfatern der Holzdecks



Labsalben des Ladegeschirrs

Foto: B. Engelmann
Zimmermann beim Hobeln

Malen der Masten


Sicherheit an Bord
Es spielt keine Rolle, ob an Deck oder in der Maschine, Sicherheit ist bei der Seefahrt oberstes Gebot. Für die Maschine erarbeitete ich einen detaillierten Feuerlöschplan. Mit speziellen Übungen wurde das Maschinenpersonal in allen Einzelheiten trainiert. Dazu gehörte auch die Wartung der Feuerlösch- und Sicherheitseinrichtungen sowie die Wartung der Rettungsbootmotoren. An Deck war es das Bootsmanöver, das in regelmäßigen Abständen geübt wurde. Meist führte man es auf hoher See unter realen Bedingungen durch, teilweise auch mit beiden Rettungsbooten gleichzeitig. Es war dann nur noch knapp die Hälfte der Besatzung an Bord. Ein Bootsmanöver unter realen Bedingungen, war eine mutige Entscheidung der Schiffsführung.

Steuerbordboot wird zu Wasser gelassen

Beide Rettungsboote auf See


Mission erfüllt, Kurswechsel in Richtung Boot
Das letzte Boot wird an Bord gehievt


In den Häfen:
Es war auch auf diesen Reisen weiterhin üblich, dass die Transportgüter in Europa mit Hafenkränen und in Mexiko sowie USA mit bordeigenem Ladegeschirr gelöscht und geladen wurden.


"Monsun" in Bremen beim Löschen und Laden mit Hafenkränen

Während der Zeit, in der man mit bordeigenen Ladevorrichtungen arbeitete, musste der Elektriker oder ein Ingenieur Windenwache schieben. Jeder Ausfall einer Winde wurde dem Reeder in Rechnung gestellt. Deshalb war die Wartung des Ladegeschirrs auf See eine wichtige Aufgabe des Maschinenpersonals, obwohl das Laden und Löschen im Verantwortungsbereich der Nautiker lag.


"Monsun" in Savannah beim Löschen und Laden mit eigenem Ladegeschirr

Hafen von Savannah, links die "Monsun"



Foto: B. Engelmann
Auf dem Cape Fear River nach Wilmington, NC liegen eine Unzahl von Liberty- und Victory-Schiffen

Foto: B. Engelmann
Im letzten US-Hafen vor der Überfahrt nach Europa wurde Gefahrgut an Deck geladen

Die mexikanischen Häfen erwiesen sich weiterhin als ein Paradies nicht nur für Kneipengänger, sondern auch für zwischenmenschliche Beziehungen zu seinen allerliebsten Señoritas. Auch als Ausgangspunkt zur Erkundung des Landes waren sie ideal. Während dieser Zeit unternahn ich in Mexiko eine Vielzahl von Ausflügen, die mich unter anderem mehrfach nach Mexiko City führten.


Eine deutsch/deutsche Begegnung
Ab Mitte der 60er Jahre lagen wir in einigen westlich geprägten Ländern vermehrt mit Schiffen der DSR (Deutsche Seerederei Rostock) zusammen. Aufgrund der großen politischen Unterschiede vermied man stets eine Begegnung an Land.
Es war einfacher, sich mit Russen anzufreunden als mit Deutschen aus der DDR. Es gab aber auch Ausnahmen. In Mexico lag das DSR-Schiff „Thomas Müntzer“ direkt hinter uns. Aus welchem Grund auch immer, an der Pier kam man ins Gespräch. Es endete mit einer Einladung auf der „Thomas Müntzer“. Zu uns an Bord durften sie nicht kommen, da das Risiko einer Republikflucht von Mitgliedern der DDR-Besatzung zu groß war.
Wir nahmen zu zweit die Einladung an. Bei der Unterhaltung an Bord herrschte eine sehr gedrückte Stimmung. Wir wurden stets von einem Politoffizier begleitet. Über seine Stellung an Bord hatte erfuhren wir nichts. Egal auf welches Thema wir zu sprechen kamen, in der DDR war grundsätzlich alles besser als bei uns. Ich dachte mir meinen Teil und ersparte mir eine Widerrede. Natürlich war dieser "Aufpasser" ein DDR-treuer Genosse. Man servierte uns das DDR- Prestige „Radeberger-Bier“. Anschließend durften wir das Schiff einschließlich Maschinenraum besichtigen. Hier die technischen Daten:


Bildquelle: photoship.co.uk
MS "Thomas Müntzer"

MS "Thomas Müntzer" ex. „Haulerwiyk“
Reederei: DSR - Deutsche Seereederei, Rostock



Flagge: DDR
Bauwerft: Wm. Doxford, Sunderland GB
Baujahr: 1937
Register tonnage: 5.344 grosstons
Länge ü. a.: 133,97 m
Breite: 16,56 m
Tiefgang: 7,75 m
Geschwindigkeit: 9,5 Knoten (max)
Besatzung: 39 Personen
Antrieb: 1 Doxford 3 Zylinder Zweitakt Gegenkolbenmotor 2100PS bei 110rpm
Hilfsbetrieb: Dampf über Riementransmission, Lade/Löschbetrieb Dampfwinden



Bildquelle: oldengine

Bildquelle: modelenginenews.org
Doxford 3 Zylinder Zweitakt Gegenkolbenmotor 2100PS bei 110rpm


Der Maschinenraum war für mich ein ganz besonderes Erlebnis, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn davon gehört. Der Hauptmotor war ein Doxford Dreizylinder Zweitakt Gegenkolbenmotor. Der Hilfsbetrieb war nicht wie üblich mit Dieselgeneratoren, sondern mit Dampf. Überall im Maschinenraum befanden sich Riementransmissionen. Sogar der hochtourige Separator wurde so angetrieben. Es sah aus wie in einem alten Betrieb aus dem 18./19. Jahrhundert. Wir waren sehr beeindruckt von diesem Maschinenraum. Zum Dank haben wir zwei Besatzungsmitglieder der Maschinencrew zu einem Kneipenbummel am späten Abend eingeladen.
Wie sollte es auch anders sein, sie kamen zu dritt, ein Politoffizier durfte natürlich nicht fehlen. Auch hier am Abend kam keine entspannte Unterhaltung zu Stande, es war alles sehr steif. Zum Schluss gingen wir in eines der berüchtigten Etablissements. Für uns Westdeutsche gab es Bier bzw. Cuba Libre. Die Ostdeutschen bestellten sich - es war so üblich - Kaffee mit Milch. Neben der sehr eingeschränkten Konversation wurde stets darauf geachtet, dass die Besatzung im Ausland keine negativen Schlagzeilen hervor rief. Uns wurden schließlich die alkoholischen Getränke und den anderen der Kaffee ohne Milch serviert. Jetzt passierte das Unglaubliche: eine der zweifelhaften Damen stellte sich neben den Stuhl eines Mitglieds der DDR-Schiffsbesatzung, holte eine Brust heraus und fragte: Wohin mit der Milch? Ehe wir uns versahen, waren die drei DDR-Leute verschwunden und wir haben sie nie wieder gesehen.
Der Grund unserer Einladung beruhte darauf, dass die Ostdeutschen nur einen US-Dollar pro Tag an Devisen bekamen. Wir dagegen konnten unsere ganze Heuer in Devisen eintauschen. Während meiner gesamten Seefahrtzeit war dies die einzige Begegnung mit DDR-Bezatzungsmitgliedern.


Müll- und Abfallentsorgung an Bord
Zur damaligen Zeit war es üblich, jegliche Art von Müll auf See zu entsorgen. Dazu gehörten Küchenabfälle, Stauholz, Ladungsreste sowie Öl- und Brennstoffe der Maschine. Die Motoren und Hilfsaggregate, die kurz nach dem Krieg gebauten wurden, waren technisch noch nicht ausgereift, Leckagen somit stets an der Tagesordnung. Die Wasser-Ölgemische mussten aus Sicherheitsgründen, kurz nach dem Verlassen der Küstengewässer entsorgt werden. Nachträglich eingebaute Bilgenwasserentöler erwiesen sich als nicht funktionsfähig. Eine IMO-Verordnung hat zum Schutz der Küstengewässer ganz bestimmte Seegebiete festgelegt, in denen Öl über Bord gepumpt werden durfte. Dieses musste in einem speziellen Buch in allen Einzelheiten eingetragen werden und wurde in den Häfen von den zuständigen Behörden überprüft.

Die Fäkalien gingen dort über Bord, wo sie anfielen. Es spielte keine Rolle ob, es im Hafen, in Binnengewässern oder auf hoher See war. Fäkalientanks waren seiner Zeit nicht vorhanden.

Wer hat noch ein Foto in seiner Sammlung für meine HP, wo am Achterschiff Ölfässer als Fullbrass aufgestellt waren und an denen sich Geier über die Futterreste hermachten?


Die US-Amerikaner und ihre Umwelt:
A prospos Umweltschutz in den USA. Der Houston-River/Channel wurde von Reise zu Reise schmutziger. Es schwamm eine ekelig stinkende Schaumschicht auf dem Wasser. Mit jedem ein- oder auslaufenden Schiff wurde das durch die Rotation der Propeller verstärkt. An der Pier wimmelte es von "riesigen" Kakerlaken. Auf der vorletzten Reise hatten wir in Hamburg bei Blohm und Voss eine längere Werftliegezeit im Dock, um routinemäßige Klassearbeiten ausführen zu lassen. Dabei wurde unter anderem auch die Propellerschwanzwelle gezogen und die Lagerung mit neuem Pockholz (Guaiacum guatemalense) versehen. Es ist Fachleuten fast nicht glaubhaft zu machen, dass dieses äußerst widerstandsfähige Holz in dem mit Chemiekalien verseuchten Wasser aufquoll. Wir mussten im nächsten Hafen wiederum in ein Dock, um die Lagerung nacharbeiten zu lassen.

Wenn wir aber, wie meist üblich, in Houston bunkerten (Treibstoffübernahme von Land auf das Schiff), gab es dort hohe Umweltauflagen zu beachten. Falls es beim Bunkern aufgrund von bordseitigem Fehlverhalten zur Verschmutzung der Gewässer kommen sollte, würden hohe Geldstrafen fällig. Für die einheimische Industrie jedoch galten diese Auflagen scheinbar nicht. In vielen Häfen sah man am Ufer untergegangene Schlepper, Fischerboote etc, aus denen Treibstoff und/oder Schmieröl herauslief und an der Wasseroberfläche große Ölflecken verursachte. Diese Dinge interessierte dort aber niemanden.


1. und 2. November 1965 im Dock einer Werft von New Orleans


Foto: B. Engelmann.
Taucher untersuchen Schraube/Stevenrohr. Resultat: müssen in New Orleans ins Dock.




Die "Monsun" im Dock

Heckansicht

Arbeitsvorbereitungen


Blick von der Werft auf New Orleans



Info Schiffsklassifikationsgesellschaft:
Klasse bei Seeschiffen ist gleichzusetzen dem TÜV bei Autos. Sie unterscheiden sich nach Einsatzgebieten, wie Polargewässer, Küstenregionen etc, oder nach Schiffstyp wie Tanker, Passagierschiff etc. In Deutschland ist meistens der Germanische Lloyd zuständig. Der Reeder kann auch eine ausländische Klassifikationsgesellschafte, wie z.B. Lloyd's Register of Shipping in London, mit der Klasse seines Schiffes beauftragen, auch wenn es unter deutscher Flagge fährt. Der Neubau eines jeden Schiffes erfolgt nach den jeweils neuesten Rules der Klassifikationsgesellschaften. Die Intervalle zur Begutachtung des Schiffes und deren Maschinenanlage obliegt ebenfalls der Klassifikationsgesellschaft.



Bordpartys
Die verbesserten Arbeitsbedingungen in der Maschine machten es möglich, aktiv an den Bordpartys teilzunehmen. Die Feierlichkeiten wurden zu gleichen Teilen vom Decks- sowie Maschinenpersonal organisiert und gestaltet. Grund für eine Feier gab es fast immer, insbesondere wenn Passagiere an Bord waren. Mal handelte es sich um eine ganz simple Klopapierfete, dann mal um ein Kostümfest oder Sylvesterfeier. Auf keinen Fall durfte der Zimmermann "Onkel Hans" fehlen. Er sorgte mit seiner Teufelsgeige und seinen nimmer enden wollenden Döntjes für die richtige Stimmung.



Ein prekäres Thema zum Schluss: "Das Verhältnis zwischen Deck und Maschine"
Aus Erzählungen und eigenen Erfahrungen war das Verhältnis zwischen dem Nautischen- bzw. Deck- und Maschinenpersonal meist sehr angespannt. Bei den Streitigkeiten der "Drei Eisheiligen" verhielt ich mich möglichst neutral, habe mir aber nie von den Nautikern den Schneid abkaufen lassen. Eigenartigerweise entwickelte sich zwischen mir und einigen Kapitänen ein Vater - Sohn - Verhältnis. Sehr ausgeprägt war es mit Kapitän W, den sie - warum auch immer - "Käpten Blubberbacke" nannten. Wir beide hatten einige Gemeinsamkeiten, wie z.B. gutes Essen, leider auch das Trinken und insbesondere eine Schwäche für hübsche Frauen.

Im Liniendienst von und nach den USA und Mexiko gab es oft auch weibliche Passagiere an Bord. Aufgrund seiner Stellung hatte der Kapitän natürlich als erster mit ihnen Kontakt. Beim Empfangscocktail sah er sich die Damen dann etwas genauer an, ob da möglicherweise die eine oder andere unter ihnen so sympathisch war, dass es sich lohnte, sie näher kennenzulernen. Dabei dachte er nicht nur an sich, sondern er vergaß auch mich nicht. Nachdem wir den letzten Hafen vor der Überfahrt verlassen hatten, dauerte es nicht lange, bis der Kapitän mich zu einem Umtrunk in seine Räumlichkeiten bat. In dem Moment war mir klar, dass er auf zwei weibliche Passagiere ein Auge geworfen hatte, die auch altersmäßig zu ihm bzw. zu mir passten. Mit etwas Glück ließ sich vielleicht während der Reise eine Beziehung mit der jungen Dame aufbauen. Ich wäre wirklich dumm gewesen, dieses Angebot nicht anzunehmen.

Mittlerweile hatte ich die Angewohnheit, den Käpten mit: "Mein Kapitän" anzusprechen. Der 1. und 2. Offizier fanden das überhaupt nicht lustig und den Chiefs waren unsere Kungeleien mehr als ein Dorn im Auge.


* * * * *


Im Februar 1966 verabschiedeten wir uns vom vertrauten Liniendienst zur US-Ostküste sowie nach Mexico. Mit neuer Schiffsführung ging es nach Grimsby/England.

1 Reise von Grimsby/England UK nach Alexandria/Ägypten vom 8. Februar 1966 bis 12. März 1966 für Monsun.

England
England
Vereinigte Arabische Republik
Flagge damals:
Vereinte Arabische Republik
Ägypten
Flagge heutiges Ägypten


Grimsby, der ungewöhnliche Hafen
Ungewöhnliches spielte sich in Grimsby ab. Es ist in vielen Häfen der Welt nicht außergewöhnlich, dass leichte Mädchen an Bord von Seeschiffen kommen. In den Kammern der Besatzung freute man sich über ihr Erscheinen. Bei einigen der sehr ungepflegt wirkenden "Damen" wiesen die Unterarme dicke Binden auf, da sie schon mehrfach versucht hatten, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Sie forderten von ihren Freiern hochprozentigen Schnaps zum Betrinken, teilten zum Bedauern der Crew dem erhofften Sex jedoch eine Absage. Des Rätsels Lösung: Es handelte sich bei diesen Mädchen nicht etwa um Engländerinnen, sondern ausnahmslos um Schwedinnen.

Es wurde mal wieder Getreide geladen. Wie schon mit der MS "Barbara" auf der Reise von Aahus nach Casablanca wurde das Getreide in Säcken angeliefert, dann aber lose in die Luken geschüttet. Gegen das Verrutschen der Ladung bei Seegang wurden ein oder zwei Lagen Säcke auf das Schüttgut gelegt. Die Reise nach Alexandria/Ägypten verlief problemlos.

In "Alex" - Seemannsjargon für Alexandria - wurde das Getreide wieder in Säcke gefüllt und dann gelöscht. Für die letzten paar hundert Tonnen fehlten die Säcke, so dass das Getreide - vielleicht als Rattenfutter - auf die Pier geschüttet wurde. Auch bei dieser Reise hatten wir Liegezeiten von sage und schreibe 9 bzw. 10 Tagen.


Besichtigungstour in Ägypten
Die lange Liegezeit in Alex hatte auch ihre guten Seiten. Es ergab sich dadurch die Möglichkeit, die Pyramiden von Gizeh, das Ägyptische Museum und andere Sehenswürdigkeiten in Kairo zu besichtigen.

Ägyptischer Landgangsausweis


Die 138m hohe CHEOPS-Pyramide

20m hohe SPHINX

"Zwei" Kamele vor der Pyramide


Auf der CHEOPS-Pyramide
am 11.März 1966 um 17.00 Uhr

Die erfolgreiche Bergsteigergruppe

Blick von der CHEOPS-Pyramide
bei Sonnenuntergang


Blick in Richtung Kairo

Abstieg

Abendstimmung und Abschied von den Pyramiden


Ägyptischen Museum von Kairo

TUTANCHAMUN-Maske

TUTANCHAMUN


Lastenträger

Minarett

Alabasta Moschee / Mohammed Ali Moschee


* * * * *


1 Reise für die Great Lakes Transcaribbean Line (Stinnes) vom Mittelmeer in die Karibik und Große Seen vom 15. März 1966 bis 17. August 1966

Italien
Italien
Spanien
Spanien
Portugal
Portugal
. . .
Puerto Rico
Puerto Rico
Domikanische Republik
Domrep
Haiti
>Haiti
Jamaika
Jamaika
Kolumbien
Kolumbien
Panama
Panama
Honduras
Honduras
Guatemala
Guatemala
Mexiko
Mexiko
. . .
USA
USA
Kanada
Kanada

Von Ägypten ging es nach Neapel/Italien in die Werft, um das Schiff für einen längeren Karibik/Große-Seen Aufenthalt fit zu machen. Während der Liegezeit auf der Werft wurde dort unter anderem auch ein Kühlschiff umgebaut. Wir besorgten uns davon ein paar brauchbare Teile, aus denen später auf See noch etwas Nützliches gefertigt werden sollte.

In den italienischen Häfen von Livorno und Genua, den spanischen Häfen Barcelona und Tarragona sowie dem portugiesischen Lissabon wurde Stückgut für die Karibik geladen. Es handelte sich überwiegend um Güter des UN-Hilfswerkes.

In der Karibik liefen wir folgende Häfen an: San Juan/Puerto Rico, Santo Domingo/Domrep, Port au Prince/Haiti, Kingston/Jamaica, Barranquilla und Cartagena/Kolumbien, Christobal/Panama, Puerto Cortez/Honduras, Puerto Matias de Galves und Puerto Barrios/Guatemala sowie Tampico/Mexico

In den Karibik-Häfen wurden überwiegend Agrarprodukte und landesspezifische Waren, wie z.B. Erdnüsse, Konserven oder Bier aus Mexiko für die "Große Seen Region" geladen.

In diesen Häfen machte es richtig Spaß, an Land zu gehen. Manche Spelunken befanden sich direkt gegenüber der Schiffspier. Die Wege waren kurz, die Getränke billig und die Mädchen süß wie Zucker.


Foto: Sieghard Obst
In einer Bar von Port au Prince/Haiti

Foto: Sieghard Obst
Im "Myrtle Bank Hotel" von Kingston/Jamaika

. . . und am Karibikstrand

Foto: Uwe Wetterling
Storekeeper und 4. Ing.


Foto: Uwe Wetterling
Elektriker



Normalerweise wurde im Liniendienst US-Golf / Mexiko auf der Rückreise in Houston gebunkert. Da wir Houston diesmal nicht anliefen, mussten wir in Tampico das Dieselöl für die weitere Reise in Richtung Norden bunkern. Der mexikanische Treibstoff hat einen höheren Schwefelgehalt und ist nicht so gut für die Dieselmotoren geeignet.

Pemex Bunkerpier in Tampico
es wird gebunkert



Wir verließen den Golf von Mexiko in Richtung Große Seen.

Foto: Uwe Wetterling
Die Hilsdiesel, das Ressort des 4. Ing.

Foto: Uwe Wetterling
Hier stellt sich die Frage:
legt der 4. Ing. nach Wachende eine Denkpause ein oder ist er von der Arbeit geschafft?


Foto: Uwe Wetterling
Der 3. Ing. am Fahrstand




Wiegefest
Unser Chief, ein großer schlanker Kerl mit kerzengerader aufrechter Haltung, kam von der Kriegsmarine. Man nannte ihn den "Geraden". Da es in der Maschine keine Probleme gab, sah man ihn dort sehr selten. Er und der Kapitän konnten es nicht erwarten, dass ich kurz nach Wachschluss um 20.00 Uhr bei ihnen zum Skatspielen antanzte. Sollte ich mich mal - aus welchen Gründen auch immer - verspätet haben, stand er spätestens um 20.15 Uhr am Maschinenraumeingang oder Waschraum und ermahnte mich zur Eile. Die Skatrunden gingen meist um Mitternacht zu Ende, aber ohne Besäufnis.

Die zur freien Verfügung stehende Zeit auf See wurde immer größer und somit auch die Herausforderung für etwas Neues. Wir veranstalteten bei schönem Wetter an Deck auf dem Weg nach Norden ein Wiegefest. Das Gewicht jeden einzelnen wurde vom Chief überwacht und notiert. Diejenigen, die auf der Rückreise an gleicher Stelle am meisten zugenommen hatten, sollten eine Runde ausgeben. In den letzten Monaten an Bord zeigte die Waage auch bei mir einige Kilo mehr an. Da meine Reise aber bereits auf der Rückfahrt in Montreal enden sollte, habe ich gegessen was ich wollte, denn mir konnte nichts mehr passieren.

Wiegefest


Verpflegung
Das Essen an Bord der Stinnes-Schiffe war in der Regel sehr gut. Sollte es mal auf einer Reise nicht so gewesen sein, lag es ausschließlich am Koch. Für ihn war der Job spätestens bei der Ankunft in Deutschland beendet. Es ist kaum zu glauben, aber es gab sogar Köche, die aus Sachsen oder Bayern kamen und sich schnell auf die norddeutsche Küche eingestellt hatten.
Ein guter Koch, ob alt oder jung, aus Ost oder West, aus Nord oder Süd, ist Balsam für die Seele der Mannschaft.



Die Tüftler und Bastler
Am Tage und während meiner Wache wurden die Pläne umgesetzt, um aus den auf der Werft in Italien organisierten Materialien die von mir geplanten Gerätschaften zu fertigen. Auf den großen Seen war es dann endlich geschafft:

. . . ein "Kühlschrank" und ein "E-Schweißgerät".


Kühlschrank

Kühlschrankinneres

Innenleben des Schweißgerätes

Schweißtest bestanden


Die Tüftler und Erbauer: Storekeeper, Elektriker und ich (Mitte)



St. Lawrence-Seeweg
Der erst 1959 fertiggestellte Saint Lawrence Seeweg (Große-Seen-Wasserstraße)ist, ein System aus Kanälen und Schleusen, das die Großen Seen und den St. Lawrence River mit dem Atlantik verbindet. Er erwies sich gegenüber dem schon 1914 fertiggestellten Panama-Kanal wie ein Bauwerk aus dem 18.Jahrhundert. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die US-Ameriker diesen Seeweg in der Form geplant haben. Vieles wikte sehr konservativ, was eher für die Kanadier spricht. Hier wurden sämtliche Arbeiten auf die Schultern des Schiffspersonal abgewälzt, um bei eventuellen Havarien ordentlich abkassieren zu können. Alles war sehr umständlich und arbeitsintensiv. Zum Festmachen des Schiffes vor den Schleusen wurde ein Matrose mit einem sogenannten Schwingbaum an Land gesetzt. Es sah aus, als würde sich Tarzan mit einer Liane durch die Lüfte schwingen. Bei regem Schiffsverkehr war man als Neuankömmling der letzte in der Warteschleife an der Wartepier. Das Schiff wurde peu à peu mit dem gleichen Prozedere jeweils um eine Schiffslänge in Richtung Schleuse verholt.


Foto: Sieghard Obst
Schwingbaum

Foto: Sieghard Obst
Markierungen an der Pier

Foto: Sieghard Obst
Markierungen an der Pier

Foto: Sieghard Obst
Monsun

Das Bordpersonal - sowohl von Deck als auch von der Maschine - bekam während der Fahrt durch die Schleusen kaum Ruhe und des Nachts kein Auge zu. Hinzu kam, dass das Schiff immer hundertprozentig gerade, ohne die geringste Neigung nach Back- oder Steuerbord, getrimmt werden musste. Die hohen Schleusenwände hätten bei der geringsten Neigung die Aufbauten des Schiffes unweigerlich beschädigt.

Seit der Indienststellung der "Monsun" sollte es die erste Reise in die Große-Seen werden. Die für die Schleusenfahrt benötigten Rollendrehklüsen wurden seit 14 Jahren nicht mehr benutzt und waren somit eingerostet. Die Rollen wurden zur Vertäuung des Schiffes in den Schleusen benötigt, also mußten diese vorher gangbar gemacht werden. Vor dem Einfahren in die Schleusen wurden die Rollen von der St. Lawrence Seaway Authority peinlichst genau überprüft. Falls der Test nicht zu deren Zufriedenheit ausfiel, wurde eine für die Reederei sehr kostenintensive Reparaturgang an Bord beordert, wodurch sich natürlich auch die Reise verlängerte. Das Gutachten verlief jedoch ohne Beanstandungen. Die Klüsen wurden nämlich benötigt, um mit den Trossen das Schiff in der Mitte der Schleuse zu halten. Im Panama-Kanal machten das die E-Locks.

Der erste Hafen war Montreal in Kanada. Von hier aus ging es durch 7 Schleusen - vorbei an den landschaftlich sehr schönen "Thousend Islands" - in den Ontario-See und weiter nach St.Catharines/Kanada am Welland-Canal. Der Höhenunterschied beträgt ca. 75m.


With kindly permission of "Fourth Seacoast Publishing Co.,Inc., St. Clair Shores, Mi"
Profilansicht der Seen



Warten vor einer Schleuse

Begegnung eines "Lakers"

In St. Catharines kam es beim Löschen von Erdnüssen zu einem außergewöhnlichen Zwischenfall. Kurz vor Beendigung der Löscharbeiten legten die Hafenarbeiter aus unerklärlichen Gründen an ihre Arbeit nieder. Da es sich nur noch um ein paar Säcke handelte, entschloss man sich seitens der Schiffsleitung im Einvernehmen mit dem Reedereiagenten, den Rest mit Bordpersonal zu löschen. Es dauerte nicht lange, da zwangen die Hafenarbeiter mit entsicherten Schußwaffen unsere Crew, die Arbeiten einzustellen. Wir verließen daraufhin umgehend den Hafen von St. Catharines, um den Rest der Ladung in Hamilton - ebenfalls ein kanadischer Hafen am Ontariosee - zu löschen. Was sich die Kanadier da erlaubt haben, konnte keiner von uns nachvollziehen.

Bei der Ankunft in Hamilton stand mal wieder ein Seemannspastor an der Pier und bot eine Tour zu den Niagarafällen an. Eine kleine Gruppe, zu der auch ich gehöhrte, nahm das Angebot gerne an. Die kleinen Wasserfälle auf dem Territorium der USA wurden des Nachts mit wechselnden Farben angestrahlt, kitschig bunt, so wie es die Amerikaner lieben. Der große kanadische Horseshoe (Hufeisen) Wasserfall hingegen ist majestätischer und vollkommen naturbelassen.


Blick auf die US amerikanischen Wasserfälle von Kanada aus.

Blick auf die kanadischen "Horseshoe"-Wasserfälle


Auf dem Schiff wurden in der Zwischenzeit die restlichen Erdnüsse und andere Waren gelöscht.

Danach ging es durch den Welland-Kanal mit seinen 8 Schleusen zum Eriesee. Hier musste ein Höhenunterschied von fast 100m überwunden werden. Anschließend durchfuhren wir den Huronsee mit einer Ausgleichsschleuse zum Superiorsee nach Fort Williams/Kanada und Duluth/Minnesota/USA. Mit dem Erreichen von Duluth hatten wir den nordamerikanischen Kontinent mit einem Seeschiff sage und schreibe halb durchquert und einen Höhenunterschied durch die 16 Schleusen von 183m überwunden.

Die Reise führte uns in die US-Staaten von Milwaukee/Wisconsin, Chicago/Illinois und Green Bay/Wisconsin. Milwaukee ist fast zu 60% deutsch geprägt und Standort der größten Brauereien des Landes. In Chicago habe ich mir mit einem Kollegen ein Auto gemietet, um einmal durch eine Millionstadt zu fahren. Durch die im Schachbrettmuster angelegten Straßen verlief alles ohne Probleme. Auch im deutschen Viertel haben wir einen Stopp eingelegt. Aufgrund der vielen deutschen Kneipen und Restaurants hatte man das Gefühl, in Deutschland zu sein. Hier habe ich mein erstes Beck's vom Faß getrunken. Es war zu der Zeit in Deutschland noch nicht auf dem Markt - auch nicht in Bremen, die Heimat von Beck's.

Chicago


Über Detroit/Michigan/USA ging es zurück nach Montreal/Kanada. Hier wurde das Schiff von der Monsun-Reederei an die von Stinnes neu gegründete GLTL (Great Lakes Transcaribian Line) übergeben. Das Schiff sollte für die nächsten 12 Monate zwischen den Großen Seen und der Karibik verkehren.


With kindly permission of "Fourth Seacoast Publishing Co.,Inc., St. Clair Shores, Mi"
Saint Lawrence Wasserweg und Große Seen


In Montreal war auch meine Ablösung geplant. Ein ehemaliger Chief sollte mein Erbe übernehmen. Bei meiner Abmusterung wurde mir erst richtig bewusst, dass ich schon fast mit der Seefahrt und insbesondere mit diesem Schiff verheiratet war. Die Reederei musste sich gegenüber der Seeberufsgenossenschaft etc. einige nicht ganz korrekte Dinge einfallen lassen, damit ich solange an Bord bleiben konnte. Nach "38 Monaten" Fahrtzeit ging ich schließlich in Montreal von Bord und flog mit einer Lufthansamaschine nach Deutschland.

Während ich diese Zeilen schreibe, überkommt mich ein Gefühl der Wehmut. Was waren das doch früher noch für schöne Zeiten, trotz der vielen harten Arbeit und Entbehrungen. Wo sind eigentlich die Jahre geblieben?

Damals konnte ich nicht lange genug an Bord bleiben und heute frage ich mich, wie habe ich das damals bloß so lange ohne Urlaub an Bord ausgehalten?!


Nun hieß es Abschied nehmen von der "Monsun".
Ich habe das Schiff nur noch ein mal bei meiner Stipvisite in Antwerpen wieder gesehen, was einem doch ein wenig traurig stimmt.


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Von September 1966 bis Juli 1967 besuchte ich die Schiffsingenieurschule in Bremen und wohnte während dieser Zeit wieder bei meinen Eltern, musste aber für Kost und Logis zahlen. Kurz vor Beginn des Studiums lag mein Freund Udo mit der "Niedersachsen" bei der AG Weser in Bremen wegen Getriebeschaden in der Werft. Ein riesiger Baumstamm auf dem Mississippi bei New Orleans war der Verursacher. Ich sah an der Pier einen Mercedes Benz 190 SL stehen und war von dem Cabrio sehr begeistert. Als sich nun auch noch herausstellte, dass dieses schöne Auto Udo - wir haben uns auf der "Edmund Hugo Stinnes" kennengelernt - gehörte, war ich neugierig geworden. Da ich als 2. Ing. gut verdient hatte, informierte ich mich über die Preise des PKW in verschiedenen Tageszeitungen. Ich glaube, es dauerte keine drei Tage, da war ich in Gummersbach fündig geworden und einige Tage später bereits Besitzer eines schneeweißen Mercedes Benz 190 SL. Ich empfand es als außergewöhnlich,wenn ich am Morgen zur Schule fuhr und meine fahrradfahrenden Dozenten überholte. Es passierte auch schon mal, dass ich von meinen nächtlichen Eskapaden direkt zur Schule fuhr. Gegen die Müdigkeit halfen mir die damals frei verkäuflichen koffeinhaltigen "Hallo Wach Tabletten".

Benzin wurde damals an der billigsten Tankstelle - sie gehörte den Besitzern des legendären Golden City am Überseehafen - für 50 Pfennig je Liter Super getankt, denn der 190 SL schluckte bis zu 18 Liter pro 100 km.



Mit meinem "Mercedes 190 SL Cabrio" auf Stipvisite in Brüssel



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Eine Überraschung war die Post zu meinem Geburtstag von meinem letzten Kapitän und Chief der "Monsun". Es hat mich doch ein wenig stolz gemacht als ich ihre Zeilen las. Die von mir eingeleiteten Veränderungen in Wartung und Pflege der gesamten Maschinenanlage, mit denen ich schon auf der "Barbara" begann, hatten sich scheinbar gelohnt.






Urlaubsvertretung auf MS "MÜLHEIM-RUHR" während der Semesterferien vom 31. Januar 1967 bis 27. Februar 1967

Deutschland
Deutschland
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USA
USA
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Deutschland
Deutschland

Foto: Peter Gecenjack
MS "Mülheim-Ruhr", Blick auf das Vorschiff

Foto: Peter Gecenjack
MS "Mülheim-Ruhr", Blick auf das Achterschiff

Foto: Peter Gecenjack
MS "Mülheim-Ruhr" am Kraftwerk Bremen-Farge


Meine 2. Reise auf der Mülheim-Ruhr ging von Emden nach Newport News/Hampton Roads und zurück nach Emden. Ich kannte das Schiff bereits von meiner Reise nach Angola, bei der wir die Hinreise auch in Ballast machten. Bei einem Massengutfrachter ist meistens eine Reise - wie hier die Ausreise - in Ballast. In diesem Fall fuhren wir im Winter durch den stürmischen Nordatlantik. Das Schiff tanzte mehr in den meterhohen Wellen als das es vorankam. Es war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Die Maschine und insbesondere die Abgasturbinen stönten und ächzten, als hätten sie Keuchhusten.

Norfolk ist der größte Stützpunkt der US-Navy, jedoch auch Umschlagplatz für Kohle. Durch die moderne Umschlagtechnik ging das Beladen der Schiffe für die damalige Zeit rasant schnell. Das Lenzen der Ballasttanks musste somit schon vor dem Erreichen des Hafens, also auf See, begonnen werden. Das Beladen ging schneller als die Ballastpumpen in der Lage waren zu leisten. An Landgang war nicht zu denken, denn in der 8-stündigen Liegezeit musste Kolben gezogen werden. Verzögerungen durfte man sich nicht erlauben, denn die nächsten Schiffe warteten schon. Sollte dieser Fall eintreten, baten die Amis den Reeder richtig zur Kasse.

Das Kolbenziehen bei einem 2-Takt Kreuzkopf Dieselmotor, dann auch noch in so kurzer Zeit, kam mir eigentlich sehr gelegen. Die Zukunft des Hauptantriebssystem in der Seefahrt lag mittlerweile bei diesem Motortyp.
Die Rückreise verlief ebenfalls bei widrigen Wetterverhältnissen. Nach dieser Fahrt hatte ich mir geschworen, niemals wieder auf einem Massengutfrachter zu arbeiten. Das ließ ich auch der Reederei wissen.


Das Studium beendete ich mit dem Erwerb des Befähigungszeugnisses C6, eines Ingenieurzeugnisses und -urkunde sowie eines Befähigungzeugnisses als Feuerschutzmann. Dieses Patent befähigtt die Ausübung des Leitenden Ingenieurs (Ltd. Ing.) mit unbegrenzter Maschinenleistung. Es spielte keine Rolle, ob es sich um das größte Passagier-, Kreuzfahrt- oder Containerschiff bzw. Tanker der Welt handelte. Die Ingenieururkunde und das dazugehörige Zeugnis interessierte den Reeder nicht. Für ihn zählte nur das Patent. Das Zeugnis als Feuerschutzmann war eigentlich nichts anderes, als was ich schon in der Vergangenheit an Bord exerziert hatte.


C6 Patent


Ingenieur-Urkunde

Befähigungszeugnis als Feuerschutzmann


C6 Kommilitonen

Info: Patente sind Lizenzen, die man durch Seeamtsverhandlungen bei Havarien durch grobe Fahrlässigkeit oder Trunkenheit - wie übrigens bei Ärzten und Anwälten auch - wieder verlieren kann. Den Ingenieurtitel dagegen behält man für das ganze Leben, egal wie gut oder schlecht man seine Arbeiten ausgeführt hat.

Suche von ehemaligen Kollegen: Mit Beginn des Schreibens dieser Seite über meine Seefahrtzeit wurde von mir im Internet die Suche nach ehemaligen Fahrensleuten ausgeweitet. Bisher haben sich Kameraden von folgenden Schiffen gemeldet:

MS "Barbara":
Peter Frey


MS "Edmund Hugo Stinnes":
Gert Bigot
Sieghard (Sigi) Obst
Bernhard Pepper
Udo Stokvis
Wolfgang (Leo) Treiber


MS "Monsun":
Gert Bigot
Marius Bunge
Bodo Engelmann
Uwe Hansen
Sieghard (Sigi) Obst
Erhard Siemers
Wolfgang (Leo) Treiber
Uwe Wetterling


MS "Mülheim-Ruhr":
Udo Stokvis
Helmuth Strenge


Wenn jemand Kontakt zu diesen Personen aufnehmen möchte, der schreibe mir doch bitte ins Gästebuch oder eine E-mail per Flaschenpost, wenn es vertraulich sein soll. Ich leite die Post dann gerne weiter.



Wer selber auf Kollegensuche gehen will, dem empfehle ich folgende Webseiten:


Hier geht es weiter zu: "SEELEUTE SUCHEN SEELEUTE"
Seeleute im Internet


"MUSTERROLLE"



letztes update: 06. Dezember 2018
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