Meine Seefahrtzeit bei der deutschen Handelsmarine als Ingenieur Assistent
von Oktober 1956 bis Januar 1959 bei Hugo Stinnes Zweigniederlassung in Hamburg

C5 Studium von März 1959 bis Juli 1960 an der Schiffsingenieurschule Bremen


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Prolog
Es war mein Wunsch, wie mein Vater als Ingenieur zur See zu fahren. Um als Ingenieur-Assistent auf einem Seeschiff anmustern zu können, war eine Bescheinigung der Schiffs-Ingenieurschule erforderlich, die bestätigte, dass man eine Lehre in einem von der Schule anerkannten Werftbetrieb abgeschlossen hatte.

Da die Atlas-Werke die Anforderungen der Schiffsingenieurschulen erfüllten, bewarb ich mich dort. Obwohl mein Vater als leitender Ingenieur bei der Reederei Stinnes gute Beziehungen zu Herrn Hugo Stinnes hatte, musste ich mich - wie alle anderen Bewerber auch - einem Eignungstest unterziehen. Der Betrieb suchte sich dann die Besten aus. Auch auf Disziplin wurde dabei geachtet. Nach bestandenem Test trat ich am 1. April 1953 meine Lehre an.

Am 30.9.1956 beendete ich die Lehre als Maschinenschlosser. Ich nahm meinen Gesellenbrief und besorgte mir die Bescheinigung - wie Eingangs erwähnt - von der Schiffsingenieurschule. Beim Hafenarzt stand der Gesundheitscheck an, ohne Probleme händigte man mir das Seediensttauglichkeitszeugnis mit Gesundheitskarte aus. Zum Schluss war die Heuerstelle für die Ausstellung eines Seefahrtbuches an der Reihe. Sofort nach Erhalt dieser Unterlagen bemühte ich mich um eine Stelle als Ingenieur Assistent. Es klappte auf Anhieb bei der Reederei Hugo Stinnes in Hamburg.

Es musste nur noch schnell der Koffer gepackt werden und ab ging es auf die MS "Andrea" im Bremer Überseehafen.


MS "ANDREA"

MS ANDREA
Der Grundriss zeigt die MS "ANDREA" im ursprünglich schwarzem Anstrich
Größenverhältnis: Mensch/Motor
Mit freundlicer Genehmigung durch Caterpillar Motoren, Kiel
MaK 10 M 581
Antriebstechnik:

Zwei MaK Viertakt Zehnzylinder
Tauchkolbendieselmotoren,
385mm Kolbendurchmesser, 580mm Hub, Turboaufladung, direkt umsteuerbar, je 1.800 PSe bei 300rpm, hydraulische Vulcankupplungen, drehzahlreduziert über Vulcangetriebe auf 115rpm der Propellerwelle

3 MaK Hilfsdiesel, 220 V Gleichstrom


Untersetzungsgetriebe

MaK-Fahrstand


Reise vom 4.Oktober.1956 bis 6. Januar 1957 im Stinnes-Linien-Dienst nach US-Ostküste/US-Golf einschließlich Kuba


Ich stellte mich beim Ltd. Ing. vor, gab meine Unterlagen ab, und wurde zum wachhabenden Ingenieur verwiesen. Mir wurde eine Kammer zugewiesen. Die Kammern waren für zwei Personen mit übereinander angeordneten Kojen eingerichtet. Der Neuling, also ich, musste mit der oberen Koje vorlieb nehmen. Mir wurde kurz der Maschinenraum sowie andere wichtige Örtlichkeiten gezeigt und sofort teilte man mich für die Hundewache von 0-4 Uhr ein.


Der Weserlotse geht von Bord - das heißt Abschied nehmen von der Heimat.


In Europa wurde in Hamburg, Bremen, Rotterdam und Antwerpen Stückgut für die USA und Kuba geladen.

MS "ANDREA" einlaufend Hamburg


Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
USA
USA
Cuba
Cuba



Mein erster Schritt auf amerikanischen Boden

Landgangsausweis der US-Immigration-Behörde


Allgemeines:
Ein Stückgutfrachter, wie die "Andrea", hatte damals 34 Mann Besatzung. An Bord herrschte eine strenge Hirarchie. Die Schiffsführung bestand aus den sogenannten "drei Eisheiligen" mit dem Kapitän an der Spitze, dem leitenden Ingenieur (Chief) und dem 1. Offizier. Diese Personen speisten im Salon und wurden eigens von dem dafür angestellten Salonsteward bedient. Weilten Passagiere an Bord, waren diese natürlich Gäste der Schiffsführung und aßen auch mit ihnen. Zur Mittelschicht gehörten der 2. und 3. Ofz sowie Offiziersanwärter, der 2. und 3. Ing. und der diensttuende 4. Ing, der Funker, Elektriker und die Ing.-Ass. Diesem Mannschaftsteil stand die Offiziersmesse zur Verfügung, bedient wurde vom Messesteward. Salon, Messe und die Unterkünfte der Ober- und Mittelschicht befanden sich im privilegierten Mitschiff, wo sich zur damaligen Zeit die Kommandobrücke und die Maschine befand. Die übrige Besatzung, wie Matrosen, Leichtmatrosen, Moses (zum Moses später ein paar Anmerkungen), Schmierer und Reiniger wohnten und aßen alle im Hinterschiff. Bootsmann, Zimmermann und Storekeeper wohnten zwar Mittschiffs, aßen aber achtern in der Matrosenmesse und wurden vom Moses bedient. Auch Koch und Bäcker wohnten Mitschiffs, bedienten sich logischerweise selbst.

Info:
Auf den heutigen Containerschiffen mit einer Größe von mehr als das 20-fache der "Andrea" und einer Maschinenleistung von mehr als 100.000 PS als Einmotorenanlage fahren lediglich ein Drittel der damaligen Besatzung. Die Automation und die Satellitennavigation haben es möglich gemacht. Aber eins bleibt unbestritten, die damalige Seefahrt war trotz der enormen körperlichen Belastung romantischer als heute.


Auf See:
...und nun zu den Arbeiten auf der "Andrea". Auf See war es im Maschinenraum durch die zwei 10 Zylinder-Viertakt-Hauptmaschinen mit ihren Abgasturbinen und dem Getriebe, den Hilfsdieseln für die Stromerzeugung und den vielen Hilfsaggregaten, wie Pumpen, Kompressoren, Separatoren etc. extrem laut. Es war anders als ich es im Hafen bei den Reparaturarbeiten auf Dampfschiffen kennengelernt hatte. Die Luft war ölgetränkt, im Maschinenraum konnte man teilweise nicht von einem Ende bis zum anderen sehen. Die Abgasturbinen mit ihren fast 30.000 Umdrehungen in der Minute waren so laut, dass es bis an die Schmerzgrenze reichte. Man muss sich das heute so vorstellen, als stände man neben einem laufenden Düsentriebwerk eines Flugzeuges. Das alles bis zu 16 Stunden am Tage ohne Gehörschutz. Hinzu kam der im Herbst und Winter übliche Sturm auf dem Nordatlantik. Das aufgewühlte Meer brachte das Schiff zum Rollen und Stampfen. Ich wurde derartig seekrank, dass ich überall im Maschinenraum und im Wellentunnel leere Konservendosen als Kotzbecher postiert hatte.


Wellentunnel

In der Koje musste man alle Viere ausstrecken um sich festzukeilen, damit man nicht herausfiel. Anders verhielt es sich im Golf von Mexico. Hier war die See zwar ruhig, dafür erhöhte sich die Maschinenraumtemperatur auf über 50°C. Hinzu kam die laufende Zeitumstellung, alle zwei bis drei Tage eine Stunde am Tag vor- oder zurückstellen, je nachdem ob man ost- oder westwärts fuhr. Die Arbeitszeit ist in Wachen eingeteilt. Die 0-4 oder auch Hundewache des 3.Ing, 4-8 Wache des 2.Ing, die 8-12 Wache des Chiefs bzw. seines diensttuenden 4.Ing und der Tagesdienst. Pro Wache waren ein Ing, ein Assi und ein Reiniger oder Schmierer tätig. Das übrige Maschinenpersonal war im Tagesdienst von 8-17 Uhr für anfallenden Reparatur- und Wartungsarbeiten eingeteilt.

Die Wacharbeiten umfassten im allgemeinen folgendes: Abschmieren der Haupt- und Hilfsmaschinen. Hier legte der Chief ganz besonders großen Wert darauf, dass auf jeder Wache die IVO-Öler mehrfach durchgedreht wurden, denn die sorgten für die Schmierung der Hauptmaschinenkolben. Abfühlen aller sich im Betrieb befindenden Komponenten auf erhöhte Temperatur oder Vibrationen. Temperaturen und Drücke kontrollieren, gegebenenfalls von Hand regeln (Automatik gab es damals noch nicht). Ölstände kontrollieren. Brennstoff umpumpen. Bilgen entleeren. Auch das Reinigen von Filter und Separatoren gehörte dazu. Alle Daten, einschließlich Drehzahl der Schiffsschraube, Brennstoff- und Trinkwasserverbrauch mußten in eine Kladde geschrieben werden, die später in das Maschinenjournal übertragen wurden. Zu jeder Wachübergabe mußten mit Putzlappen oder Twist alle Maschinen geputzt werden. Das gleiche galt für die Flurplatten.

Beim Einlaufen des Schiffes in einen Hafen kam schon weit draußen, meistens in den Flussmündungen, der Lotse an Bord. Hiermit begann für das Maschinenpersonal eine Doppelbelastung. Der Wachhabende Ingenieur darf den Maschinenstand nicht verlassen, da jederzeit mit Manövern gerechnet werden muss. Manöver werden durch Order von der Brücke zur Maschine per Maschinentelegraph übermittelt. Jede Order, z.B. langsam voraus VL, muss in der Maschine mit dem Telegraphen quittiert und ins Manöverbuch mit der Uhrzeit eingetragen werden. Wird nicht in der Maschine quittiert, klingelt der Maschinentelegraph ununterbrochen weiter. Aus diesem Grunde muss während dieser Zeit immer ein zweiter Assi die sogenannte Manöverwache - 2 Stunden vor und zwei Stunden nach seiner normalen Wache - gehen. Der wachhabende Assi ist meistens mit anderen Aufgaben, wie z.B. das Regeln der Temperaturen, das Ein- und Ausschalten der Luftkompressoren etc beschäftigt. Damals war es auch noch ein überliefertes Heiligtum, dass das Bedienen der Hauptmaschinen nur den Ingenieuren vorbehalten war. Viele Häfen, wie z.B. New Orleans, Houston oder in Europa Hamburg, Bremen oder Antwerpen haben lange Revierfahrten. Ich hasste diese Häfen.

Wenn es mir die Zeit erlaubte, begab ich mich unter die Flurplatten und erstellte mir eigene Rohrleitungspläne von Schmieröl, Getriebeöl, Brennstoff, Kühlwasser Frisch- und Seewasser, Lenz- und Ballastwasser etc. Diese Pläne erleichterten mir bei späteren Ordern zum Umpumpen jeder Art von Flüssigkeit die Arbeit erheblich.

Jeder Waching. war für bestimmte Anlagenteile im Maschinenraum verantwortlich. Der 3. Ing. zum Beispiel für die Hauptmaschine. Auf der Ausreise wurden vorwiegend Wach- und Wartungsarbeiten durchgeführt, wie zum Beispiel Überholen eines der drei Hilfsdiesel. Hin und wieder ging auch etwas außer der Reihe zu Bruch - auch Kolbenfresser waren nicht selten. Meistens, aber leider nicht immer, kündigten sich Kolbenfresser an, denn die Triebwerksklappen wurden wärmer und aus dem Triebwerk trat erhöhter Qualm bzw. Öldunst aus. Der Kolbenfresser verursachte ein erbärmliches Donnern und Krachen und man kann es fast nicht glauben, die Maschine blieb stehen, obwohl die anderen 9 Zylinder und der zweite Motor noch voll gegenan arbeiteten. Hierbei entstand eine erhöhte Gefahr der gefährlichen Tiebwerks- oder Kurbelwannenexplosion. Es wurde dann mit einer Maschine weiter gefahren und die Havarie wurde sofort mit Bordmitteln behoben. Meist unter schwersten Bedingungen bei schlingernden Schiff auf hoher See.

In den Häfen:
Stolz wie Oskar tat ich meinen ersten Schritt in Charleston S.C. auf US-amerikanischem Boden nach stürmischer und arbeitsreicher Nordatlantiküberquerung. Weitere US-Häfen wurden in Florida und der gesamten US-Golfküste angelaufen. Hier machte ich einige Erfahrungen, die mein späteres Leben stark beeinflussten. Da sich die Schiffsliegeplätze nicht in den Zentren der Städte befanden, musste man wegen Mangel an Devisen versuchen, die Innenstädte per Bus oder Anhalter zu erreichen. Es war kaum zu glauben, aber die Bushaltestellen hatte man in drei Klassen für "Weiße", "Farbige" und "Schwarze" unterteilt. Als wir uns endlich im Bus befanden, begann für uns eine ungewohnte Prozedur mit dem Bezahlen. Nachdem wir auch dieses geschafft hatten, setzten wir uns, wie wir es aus Deutschland gewohnt waren, in den hinteren Teil des Busses. Wir wurden aus allen Träumen gerissen, als uns das weiße Buspersonal in einer mehr als unhöflichen Art und Weise nach vorne zitiert mit dem Hinweis: "Hinten sitzen nur die Schwarzen."


Foto: H. Thimm
Die "Andrea" in Savanna


Die Reise ging von den USA weiter nach Havanna/Kuba. Im Hafen lagen viele Truppentransporter und andere Kriegsschiffe der US-Navy. Die Kneipen waren voll von deren Besatzungen. Hier spielte sich trotz der Ausgelassenheit mit den kubanischen Mädchen fast das gleiche ab wie in den Staaten. Die Weißen - meist höherrangig - konnten sich alles erlauben, die Schwarzen hingegen wurden bei der kleinsten Kleinigkeit von der hochnäsigen US-Militärpolizei abgeholt.


An der Reling stehend betrachten der Elektriker und ich faszinierend die Skyline von Hananna



Die Skyline von Havanna 1956


Auf unserer Rückreise in die USA mussten wir wieder die strenge Immigrationsprozedur über uns ergehen lassen, aber diesesmal gab es noch eine Steigerung. Bei Schiffen, die aus Ländern wie zum Beispiel Kuba, Mexiko etc. kamen, musste sich die komplette Besatzung ohne Ausnahme laut Musterrolle (Schiffsdokument über angeheuertes Bordpersonal) an Deck in Reih und Glied aufstellen. Selbst für das Wachpersonals, dem es normalerweise nicht erlaubt ist, als Wachgänger den Maschinenraum zu verlassen gab es keine Ausnahme. Ich kam mir vor wie beim Militär. Jetzt hieß es vom Immigrationsarzt, jeder hole seinen Penis raus, um ihn auf Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen. Die alten Fahrensleute nannten diese Aktion: "Antreten zur Schwanzparade". Wurde bei jemandem eine Infektion diagnostiziert, so ist diese Person - von zwei Polizisten begleitet - in ein Krankenhaus zur Behandlung gebracht worden. Zurück zum Schiff erfolgte die gleiche Prozedur. Desweiteren verhängte man eine Landgangssperre. So, das waren meine ersten Erlebnisse in den USA, aber es warteten noch weitere Überraschungen auf mich.

Während der Hafenliegezeiten wurden überwiegend Arbeiten an den Hauptmaschinen durchgeführt, wie Kolbenziehen, Einlaß-, Auslaß- und Brennstoffeinspritzventile wechseln bzw. überholen. Es mussten auch in regelmäßigen Abständen die Wangenatmung, alle Muttern und Schraubenbolzen, sowie die Grund- und Kurbellager im Triebwerk der Hauptmotoren überprüft werden. Lagerschäden waren an der Tagesordnung. Es war eine Knochenarbeit die Lagerhalbschalen zu reparieren. Mit einem Schweißbrenner wurde neues Weißmetall eingelötet, dann mußten die Lagerschalen durch spezielles Schaben eingepaßt werden. Heutzutage werden Kugel- bzw Rollenlager oder Dreischichtlager verwendet.

Der Elektriker hatte während des Be- und Entladens des Schiffes mit eigenem Windenbetrieb stets anwesend zu sein. Die meisten Überseeländer verfügten nicht über Hafenkräne, so wie es in Europa üblich war. Der Maschinenraum war auch in den Häfen rund um die Uhr von mindestens einem Assi besetzt.

Das Bunkern von Dieselöl bedurfte einer besonderen Aufmerksamkeit, da es an Bord keinen Überlauftank gab. Bei Unachtsamkeit konnte es passieren, daß das Dieselöl an Deck überlief und den Hafen verschmutzt.

Mein erstes Weihnachten auf See.

Einsam und allein in der Kammer



. . . im Salon mit dem Chief

Weihnachtsfeier . . . :
. . . in der Offiziersmesse mit dem 2. Ing.


. . . in der Mannschaftsmesse

Auf der Heimreise wurde im Maschinenraum überwiegend geputzt und gemalt. Alle Maschinen und Aggregate waren in einem zarten Stinnes-grün und alles andere in weiß mit stinneseigenen ILAG-Farben gestrichen.

Logo der ILAG Lackwerke GmbH, Düsseldorf-Gerresheim


Viele wichtige Arbeiten blieben dabei auf der Strecke. Es ging nur darum, dem Reeder und dem Maschineninspektor bei der Ankunft in Hamburg zu zeigen, was für tolle Ingenieure an Bord sind.

Info:
Schiffe sind immer weiblich, auch wenn sie männliche Namen tragen, so war es schon in der Antike bei den alten Römern und Griechen. Schiffe haben tolle Formen, sie brauchen viel Farbe um gut auszusehen und sind teuer - alles weibliche Attribute.



MS "ANDREA" einlaufend Bremen


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MS "BARBARA"



Antriebstechnik wie MS "ANDREA"



3 Reisen vom 23. Februar 1957 bis 6. September 1957 im Stinnes-Linien-Dienst in die US-Südstaaten der Ostküste.



Bei Eiseskälte ging ich in Bremen an Bord


Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
USA
USA


Die Haupthäfen waren in der Regel Charleston, Savanna, Jacksonville, Tampa, New Orleans und Houston. Je nach Bedarf und Ladungsangebot wurden unter anderem noch die Häfen Morehead City, Wilmington, Georgetown, Brunswick, Mobile, Baten Rouge, Galveston, Beaumont, Corpus Christi und Brownsville sowie Sunny Point angelaufen. Die Ladung für die USA bestand überwiegend aus Stahlhalbzeugen und Maschinenteilen. In den USA wurden hingegen Baumwolle, Tabak und Papierrollen geladen.

Der Weg nach Houston führte durch den Houston-Channel, wo man auf halben Weg am San Jacinto Monument und dem Schlachtschiff USS "TEXAS" vorbeikam. Da die Amis über keine eigene Kultur oder historische Bauten verfügen, stellte man überall protzige Monumente aus Kriegen, wie zum Beispiel hier gegen die Mexicaner, auf. Der Houston-Channel führt auch noch an unzähligen Ölraffenerien vorbei. Es stank nicht nur in der Luft, auch das Wasser glich einer Kloake. Auf anderen Flüssen, die zu den jeweilgen Häfen führten, sahen wir unzählige aufgelegte Liberty- und Victoryschiffe, Relikte aus dem 2. Weltkrieg.

In einigen Häfen reichte hin und wieder die Zeit für einen Landgang. Die Zentren der Häfenstädte zeichneten sich fast alle durch Eintönigkeit im anglo-amerikanischen Baustil aus. Häßliche Licht- und Telefonmasten mit unzähligen wirren Kabeln durchzogen die Innenstädte. Über Fußwege verfügten ausschließlich die Stadtzentren. Die Drugstores waren für mich kleine Warenhäuser. Hier gab es fast alles, angefangen von Schallplatten über Bekleidung bis hin zu Plasikblumen (ich habe in den Staaten nie ein Blumengeschäft gesehen). Selbst für das leibliche Wohl wurde dort gesorgt. Es gab immer einen langen Thresen, an dem meistens Arbeiter oder Hausfrauen mit Haarwicklern auf dem Kopf saßen. Dort bekam man grundsächlich als erstes ein Glas eiskaltes Wasser. Dabei spielte es keine Rolle, ob es Sommer oder Winter war. Im Sommer wurden die Geschäfte derartig weit runtergekühlt, dass man beim Verlassen der Gebäude fast einen Schlag bekam. Ich lernte die Drugstores aus einem besonderen Grund kennen: Für die ganze Verwandtschaft in Deutschland standen "Petticoats" sowie "Fruit of the Loom" Unterwäsche oben auf der Wunschliste.

Als wir in einem der texanischen Häfen mal wieder an Land gingen, hielt unsere Freude nicht lange an. Die Polizei griff uns von der Straße auf und brachte uns wie Kriminelle an Bord zurück. Unsere Verfehlung: "Wir trugen kurze Hosen, wie man es aus Deutschland kennt". Scheinbar war es im prüden Texas verboten. Da fragt man sich, wo ist die Gerechtigkeit, wenn es den weiblichen Geschöpfen erlaubt ist, in superkurzen Hotpants herumzulaufen. Ich habe die Texaner stets mit den Bayern verglichen. Beide wollen sich aus der übrigen Nation hervorheben. Mal wieder eine negative Erfahrung.


Aufgelegte "Liberty- und Victoryschiffe" aus dem 2. Weltkrieg soweit das Auge reicht

Schlachtschiff "USS TEXAS"
und das "San Jacinto Monument"
zwischen Galveston und Houston am Housten-Kanal



"Liberty-Frachter" einlaufend Bremen


Auf einer unserer Reisen streikten in New Orleans die Hafenarbeiter 10 Tage. Das verhalf uns dazu, die Stadt etwas ausgiebiger kennenzulernen. Das Frenchquarter erinnert nicht nur durch seinen Baustil an Paris, sondern auch durch seine Künstler wie am Montmatre. Der französich/spanische Einfluss ist unverkennbar. New Orleans an der Südostseite der USA erwies sich tatsächlich als ein Juwel. Seine Bewohner sprühten förmlich vor Lebenslust und Fröhlichkeit. Wir gingen auf die Suche nach der Basin-Street, in der Luis Armstrong seine Karriere begonnen hatte, aber leider existierte sie nicht mehr. Stattdessen spielte sich zur damaligen Zeit die Musikszene in der Bourbon-Street ab. Ohne Eintritt zu bezahlen war es möglich, den Proben insbesondere der Jazz-Musikern beizuwohnen. Ein Juwel der Szene war das "PAT O'BRIENS" mit dem legendären Mr. Eddie Gabriel.
"Weitere Infos über Mr. Eddie Gabriel"

Aufgrund der langen Liegezeit hier in New Orleans hatte ich auch die Möglichkeit, einige Mondscheinfahrten mit dem Mississippi-Raddampfer "PRESIDENT" zu unternehmen. Da ich noch keine 21 Jahre auf meinem Buckel hatte, bekam ich nirgends alkoholische Getränke, durfte mit 18 aber schon die Lokalitäten besuchen. Auch einige Ausflüge an den Lake Pontchartrain standen auf dem Programm.

New Orleans Künstlerviertel
im Frenchquarter

New Orleans Frenchquarter

Mississippi-Dampfer "PRESIDENT"


Während einer der drei Reisen liefen wir das "MILITARY OCEAN TERMINAL SUNNY POINT" (MOTSU) in Southport N.C. am Cape Fear River an. Es handelte sich um militärisches Sperrgebiet in einer einsamen Gegend. Es durfte weder an Bord geraucht, noch Schuhe mit Metallbesatz getragen werden, es herrschten strenge Sicherheitsvorschriften. Raucher mußten sich an Land in spezielle Betonhäuschen begeben. Wir waren nämlich hier, um Munition und Panzer für die damals noch junge Bundeswehr zu laden.

So streng die Amis auch waren, so lasch wurden in Nordenham die Sicherheitsvorkehrungen gehandhabt. Die Schauerleute rauchten sogar in den Luken neben den Munitionskisten. Die Panzer wurden in Bremerhaven gelöscht, da dieser Hafen damals der Hauptumschlagsplatz der US-Army in Europa war.

Vorgesetzte:
Die Zeiten als Assi auf der "Andrea" und "Barbara" waren unter den damaligen Vorgesetzten gelinde ausgedrückt erniedrigend - auf gut deutsch: "beschissen"! Die Ingenieure fühlten und benahmen sich wie kleine Herrgötter, um von ihrem eigenen Unvermögen abzulenken. Jeden Tag ging irgendetwas zu Bruch, man konnte nichts vorausplanen. Die Arbeitszeit lag jeden Tag im Durchschnitt bei 16 Stunden, auch Sonn- oder Feiertags. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob es notwenig war oder nicht. Versprechen, wie zum Beispiel: "Wenn die Arbeit fertig ist, könnt ihr Feierabend machen", zählten nicht. Sie ließen sich immer wieder neue Widerwärtigkeiten einfallen. Wir wurden ausgenutzt und waren Sklaven der Arbeit. Menschenführung war für sie zur damaligen Zeit wohl noch ein Fremdwort. Ich hatte mir geschworen, wenn ich mal Ingenieur bin, vieles anders und besser zu machen. Mal sehen ob es klappt?


Zum Abschied noch einmal einen Blick auf die MAK-Doppelmotorenanlage



Hier geht es weiter zu "Peter Wilhelm's"Bericht über seine erste Reise als Ing.-Assi auf der MS "BARBARA" und der "Pamir"-Tragödie:


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MS "NIEDERSACHSEN"



Untersetzunsgetriebe
Antriebstechnik:

Antrieb: Zwei MAN Zweitakt Sechszylinder
Tauchkolbendieselmotoren mit Nachladeschieber
je 2260 PSe bei 250 rpm, direkt umsteuerbar, hydraulische Vulcankupplungen, drehzahlreduziert über Vulcangetriebe auf 115 rpm der Propellerwelle
3 MAN Hilfsdiesel, 220 V Gleichstrom


Mit freundlicher Genehmigung durch MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg
MAN GZ 5270

Foto: Oswald Meissner
MAN-Fahrstand.





MS "NIEDERSACHSEN" auf der Ausreise im English Channel (Ärmelkanal)

4 Reisen vom 18. September 1957 bis 19. Juli 1958 im Stinnes-Linien-Dienst nach Kuba, Mexiko und US-Golf.


Deutschland
Deutschland
Niederlande
Niederlande
Belgien
Belgien
Cuba
Cuba
Mexico
Mexico
USA
USA

Zwischen den Ladungen, die wir von Europa nach Cuba und Mexiko transportierten bzw. in die US-Südstaaten bestand kaum ein Unterschied. Es gab allerdings eine große Ausnahme. In Bremen wurden auf jeder Reise Borgward Isabella verladen, denn die Mexikaner liebten dieses Auto.

Verladen der "Borgward Isabella" in Bremen für Mexiko

"Pamir"-Tragödie:
Auf der Ausreise sind wir in die Ausläufer des Sturms geraten, dem die "Pamir" am 21. September 1957 zum Verhängnis wurde. Nähere Einzelheiten sind in den Berichten von Peter Wilhelm und Hans-Jürgen Peters beschrieben.
Wie schon auf meiner ersten Reise gefiel es mir in Havanna sehr gut. Die Hafenspelunken, angefangen mit der Anker-Bar direkt am Hafentor bis zur Miami-Bar am Bahnhof, waren voll von hübschen Cubanerinnen. Ich müßte lügen, wenn ich nicht angetan gewesen wäre von den hübschen Geschöpfen. Von Damen dieser Art wurde man überall in Havanna angesprochen, egal ob man sich im Zoo, an einer Bushaltestelle, im Nobelhotel Hilton oder am Capitolio aufhielt. Für jeden Seemann war es der Höhepunkt, einmal im Teatro "Shanghai" im Barrio Chino (aus Jugendschutzgründen kann ich hier zum Theater keine weiteren Angaben machen) anstatt im Tropicana gewesen zu sein.

Damals wurde gesagt: Ein Dach über Havanna, und es wäre der größte Puff der Welt! Was ist aus all den leichten Mädchen nach Fidels Machtübernahme geworden?

Fremde, dazu gehörten auch die leichten Mädchen, durften nicht in den Hafen und schon gar nicht auf die Schiffe.

Zur Information: ein Cuba Libre oder Mochito kostete damals 25 Cent, egal ob in Kuba- oder US Währung, umgerechnet DM 1,05; denn der Dollar war damals noch 4,20 DM wert.

MS "NIEDERSACHSEN" einlaufend Havanna/Cuba

In den Bars wurden die Gläser mit einem Eiswürfel und einem Stück Limone versehen und dann randvoll mit dem guten dunklen Bacardi Añejo gefüllt. Mit der beigestellten Flasche Coca Cola konnte man sich den Rum nach eigenem Geschmack verdünnen - wenn man wollte. Der heute bei uns populäre "weiße" Bacardi-Rum war damals auf Cuba nur zweite Wahl und kostete auch nur den halben Preis des Añejo.


Etikett einer Barcadiflasche der MIAMI-Bar in Havanna von 1956

Etikett einer Barcadiflasche der ANKER-Bar in Havanna von 1956



25c Cuba-Münze / US Quarter Dollar
Der US-Dollar und der kubanische Peso in Scheinen und Münzen waren identisch in Größe, Optik und Valuta
20 Peso Cuba-Note und 20 US-Dollar-Note von 1956


Während dieser Zeit kämpfte Fidel Castro bereits im Untergrund gegen den Diktator Batista. In Havanna merkte man noch keine Veränderungen, der Hafen war voll mit Passagier- und US Kriegsschiffen. Der langsame Verfall der historischen Gebäude war schon damals nicht mehr zu übersehen. Am 1. Januar 1959 flüchtete Batista aus Cuba in die Dominikanische Republik.

Mein Wunsch war es, noch einmal in meinem Leben, genau nach 50 Jahren, Havanna zu sehen. Im Frühjahr 2007 erfüllte ich mir den Wunsch und flog mit meiner Gattin nach Cuba. In Havanna, wie auch in Viñales (Tabakanbaugebiet für die berühmten Havanna Zigarren) wohnten wir bei Privatfamilien. So konnten wir viel Wissenswertes in Erfahrung bringen. Die Einheimischen stehen noch heute hinter "Fidel", denn es ist hier doch alles so schön, gute und kostenlose Krankenversorgung und prima Schulsystem. Dass in den Geschäften die Regale leer sind und vor sich hinrosten und dass es zwei Klassen Menschen durch zwei verschiedene Währungen gibt, wird ignoriert. Die verfallenden Häuser brauchen doch nur ein bißchen Farbe, dann ist alles wieder in Ordnung. Die Menschen, mit denen wir gesprochen haben, sind glücklich und zufrieden und lang lebe Fidel! Wo früher der Zerfall der Häuser einsetzte, stehen heute nur noch Gerippe.


Havanna 1957

Havanna 2007

Havanna 2007


Ein paar Hotels und historische Gebäude an der Strecke der Touristenrundfahrten hat man sehr aufwendig - überwiegend durch ausländischen Investoren - restauriert.

Post

Capitolio>

Hotel am Parque Central


Die schönen Lagerhallen am Hafen mit den tollen arkadenartigen Halbrundbögen stehen leer und verwittern. Keine einzige Bar existiert mehr, alles ist grau und trist.

Der ehemals prunkvolle Hafen von Havanna heute

An der Hafeneinfahrt hat sich nicht viel verändert

Von den Kneipen ist nichts mehr zu sehen


50 Jahre von der Substanz leben und nichts investieren, das kennen wir aus der Ex-DDR. Was machen die nachfolgenden Generationen, wenn nichts mehr da ist und alles aufgebraucht ist? Leider kann man das schöne Havanna aus meiner Sicht nicht mehr retten, hier hilft später nur noch die Abrissbirne. Als ich dieses Elend sah, hatte ich Tränen in den Augen. Vielleicht hätte ich zu Hause bleiben sollen, um von der Erinnerung zu träumen.

Und somit wird eine der schönsten Städte der "Neuen Welt" wahrscheinlich für immer verschwinden.


Meine Vorliebe für Mexiko begann mit der Einlaufprozedur der MS "NIEDERSACHSEN" in Veracruz. Das Schiff lief mit dem Lied "Cucurucucu Paloma", gesungen von Lola Beltran, in den Hafen ein. Der Lautsprecher war oben an einem Mast befestigt. Die Musik konnte man bis zur Plaza hören.

Ein Klick auf LOLA und sofort ertönt CUCURUCUCU PALOMA


Plaza, Rathaus und Hafen von Veracruz

Die Mexikaner, die sehr deutschfreundlich sind, strömten fortan zum Hafen, um das Schiff und deren Besatzung zu begrüßen. Sogar aus Mexiko-Stadt machten sich reiche Mexikaner - deren Vorfahren vielfach aus Deutschland stammten - mit ihren Töchtern auf den Weg nach Veracruz, wenn ein deutsches Schiff im Hafen erwartet wurde. Man versuchte auf diesem Wege, für die Töchter einen deutschen Ehemann zu finden. Aufgrund der riesigen Menschenmassen die zum Hafen strömten wurde uns sehr oft die Passagierschiff-Pier zugewiesen. Die Bevölkerung hatte nur hier Zugang zum Schiff, denn alle anderen Schiffsliegeplätze lagen in einem Sperrbezirk. Die Hafenliegezeiten in Havanna und Veracruz betrugen im Durchschnitt 8 bis 14 Tage, in Tampico sowie Coatzacoalcos drei Tage. Sie konnten sich durch Regen, Streik oder auch durch nicht pünktlich angelieferte Waren verlängern. Gelöscht wurden hauptsächlich hochwertige Stückgüter, meist in Holzkisten verpackt. In Cuba wurde so gut wie nichts geladen, dafür aber in Mexico Silberbarren, Quecksilberflaschen, Honig, Schwefel etc.


Eine alte Seemannsweisheit besagt, wenn man beim ersten Anlaufen von Veracruz den
"Pico de Orizaba" bzw. "Citlaltepetl"
den höchsten Berg Mexikos mit 5700m sieht, kommt man immer wieder nach Mexico zurück.
Diese Weisheit hat sich bei mir tatsächlich bewahrheitet. Mittlerweile war ich
mehr als 40 mal in diesem schönen Land.

Menschentrauben marschierten zum Hafen
um die "Niedersachsen" zu empfangen.



Foto: H-J Peters

Foto: H-J Peters

Foto: H-J Peters
MS "Niedersachen" im Hafen von Veracruz beim Löschen und Laden


Während meiner Dienstzeit auf der Niedersachsen machte ich mit vielen Familien aus Veracruz und Mexiko-Stadt Bekanntschaft. Ich wurde oft nach Mexiko-Stadt eingeladen. Man nahm mich mit zu verschiedenen Familienfesten und zeigte mir die alten Kulturstätten Mexikos. Seit dieser Zeit begann meine große Liebe zu diesem Land. Meine Urlaubs- sowie angesammelten Seesonntage verbrachte ich, wenn es irgendwie möglich war, dort. Urlaub in Deutschland war für mich damals passé.

Meine ersten Ausflüge, die ich auf eigene Faust von Veracruz aus unternommen habe.

Zempoala, die erste Station von Cortez
bei seinem Eroberungszug durch Mexiko

Spektakuläre Rückfahrt auf dem Dach eines Linienbusses



Alvarado

Plaza in Fortin de las Flores

Blick auf den Ort Orizaba mit der Brauerei "Montezuma"


Zu dieser Zeit lernte ich die Mexikanerin Maria Elena in Veracruz kennen. Wenn es uns die Zeit erlaubte, trafen wir uns. Sie erzählte und zeigte mir sehr viel von Mexiko. Eines Abends fuhren wir mal wieder nach Mocambo, das am Golf in der Nähe von Veracruz liegt.


Hotel Mocambo


Des Nachts saßen wir am Strand und lauschten dem gleichmäßigen Rauschen des Meeres. Meine Begleiterin beobachtete längere Zeit die Sterne und fragte mich nach einer Weile des Schweigens: "Rafael weißt du eigentlich wie die Sonne und der Mond entstanden sind?" Ich schaute in ihre Augen, sie funkelten von den sich im Meer widerspiegelnden Sternen wie tausend Diamanten und sagte: " Nein, das weiß ich nicht." Dann erzählte sie mir die folgende Geschichte.

"Böse Geister hatten alle guten Götter getötet. Anschließend löschten sie die Sonne mit Schnee und kalten Stürmen, so daß eine ewige Nacht auf Erden begann. Es starben viele Menschen an Hunger. In ihrer Verzweiflung berieten die Stammesfürsten, wie man eine neue Sonne schaffen kann. Da ein weiser Mann unter ihnen viele Geheimnisse der Natur kannte, machte er folgenden Vorschlag:
"Ein starker und mutiger Mann muß zu den Sternen gehen, von jedem ein Stück Stein einsammeln und sich an sein Schild heften. Wenn er dann im Himmel angekommen ist, wird sich sein Schild in eine Sonne verwandeln". Ein Häuptling war bereit seine Familie und seine Freunde zu verlassen um der Menschheit die Sonne zu bringen. Er fertigte sich ein Schild aus Tierfellen und kam nach vielen Jahren und Kriegen mit den bösen Göttern bei den Sternen an. Er bekam sein erstes Stück von einem Stern und befestigte es an seinem Schild. Und so ging er weiter von einem Stern zum anderen. Die bösen Götter erkannten aber bald, dass für die Menschheit eine neue Sonne entstehen sollte. Mit glühender Lava und riesigen Wassermassen sollte fortan die Menschheit vernichtet werden. Der Häuptling ging immer weiter in die Höhe und sein Schild leuchtete immer stärker. Auf der Erde begannen die Blumen zu blühen und das Obst und Gemüse zu reifen. Jetzt endlich strahlte die Sonne vom Himmel. Die Menschen auf Erden feierten Ihren großen Helden. Die bösen Geister unternahmen unterdessen alles Erdenkliche, um die Sonne wieder auszulöschen, doch der Häuptling ist stets sehr wachsam. Bei zu extremen Treiben der bösen Geister werden diese vom Häuptling vertrieben. Den Menschen verkündet er durch einen großen bunten Regenbogen, daß die Sonne nicht wieder von den bösen Göttern gelöscht wird".
Viele Jahre vergingen, aber die Menschen waren nicht zufrieden. Sie fürchteten die Finsternis der Nacht. Der Sohn des Häuptlings war mittlerweile erwachsen und wollte dem Vater nacheifern. Er wollte die Sonne für die Nacht schaffen. Sie sollte Licht geben, aber keine Wärme. Menschen, Tiere und Pflanzen sollten sich von der Glut des Tages erholen können. So erschuf er nach großen Mühen den Mond und er war froh, daß er seinem Vater in nichts nachstand.


Jahre später las ich fast die gleiche Geschichte in dem Traven-Roman "Der Karren". War die Erzählung von Maria Elena ein Zitat aus dem Roman oder haben sich hier unsere Wege mit dem Schriftsteller gekreuzt?

Das Arbeiten auf der "NIEDERSACHSEN" war viel angenehmer als auf den beiden ersten Schiffen. Es lag in erster Linie an den Zweitakt-MAN-Motoren.


Foto: Oswald Meissner
Typischer MAN Fahrstand
Foto: Oswald Meissner
Zylinderstation


Nachtleben:
Ähnlich wie in Havanna spielte sich auch in den Häfen Mexiko's ein ausgegrägtes Nachtleben ab. In Veracruz das "Mi Ranchito", in Coatzacoalcos das "Casa Pepe" oder in Tampico die "Luzy" mit Gefolge. Tampico war der einzige Hafen, in dem die leichten Mädchen - im Seemannsjargon "Dockschwalben" genannt - auch in den Hafen und somit auf die Schiffe durften. Meistens kamen sie aus den Wellblechhütten am Flussufer gegenüber des Hafens.

Am Hafen von Tampico gab es eine sehr merkwürdige Bar. Es war keine Seemannsspelunke. Der Bartresen war edel gefliest. Zwischen dem Barsockel und den davor stehenden Barhockern befand sich eine umlaufende und tiefer gelegte Rinne, die ebenfalls mit Fliesen belegt war. Hier strömte kontinuierlich ein Wasserlauf, der die Limonenstücke vom Tequilatrinken, Papierservietten, Essensreste etc. fortspülte. Später habe ich begriffen, weshalb den weiblichen Geschöpfen, hier der Zutritt nicht erlaubt war. Die Rinne diente nämlich auch als Urinale!
Zu jener Zeit standen die deutschen Seeleute in der Sympathie der Mittelamerikanerinnen sehr hoch. Die Amis wurden nur aufgrund der um sich schmeißenden Dollars akzeptiert.


Luzy, die damalige ungekrönte Reina von Tampico

Luzy's Heimat


Psychische und physische Belastungen:
Wie war es möglich, dass zur damaligen Zeit niemand bei der Seefahrt aufgrund der enormen körperlichen Belastungen klagte. Die lange - oftmals monatelange - Trennung von Familie und Freunden, fehlende Freizeit wie zum Beispiel Sport, Kino etc, die schnell wechselnden klimatischen Veränderungen, der Schichtdienst, die lange und harte tägliche Arbeitszeit von 16 Stunden im Schnitt, die öldurchtränkte Luft bei 45° C im Maschinenraum, die stickige Luft in den Kammern ohne Klimaanlagen, die ständigen Zeitumstellungen bei Fahrten in Richtung Osten oder Westen - heute sagt man Jetlag - , die stetigen Bewegungen des Schiffes auf See und vieles mehr.

Wenn ich heute höre, das insbesondere über den Schichtdienst von entsprechendenBerufsgruppen gemeckert wird und wie ungesund das auch noch ist, da fällt mir nur eines ein: Weder früher bei der Seefahrt noch heute an Land wurde jemand zu seinem Job gezwungen. Natürlich gießen die Gewerkschaften auch noch ordentlich Öl ins Feuer, aber nur für die an Land Beschäftigten. Ich meine, wenn es die Leute zu sehr belastet, sollen sie den Beruf wechseln, so einfach ist das.

Es war nicht außergewöhnlich, dass wir in Gedanken noch in der Karibik oder im Golf von Mexiko waren, als uns Europa mit Eis und Schnee empfing.


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D "KETTWIG"





Flammrohrkessel mit Kohlefeurung, 16 bar
1957 umgebaut auf Ölfeurung mit Saackebrennern
Antriebstechnik:


1 Dreifach-Expansionsdampfmaschine mit 1.096 PSi
direkt umsteuerbar durch Kulissensystem
Antrieb direkt auf die Propellerwelle
1 MWM Hafen/Notstromgenerator
110 V, Gleichstrom

Die Stephenson-Kulissensteuerung diente zum Manövern:
voraus-zurück



Verschiedene Reisen vom 21. Juli 1958 bis 16. Januar 1959 für Hugo Stinnes


Auf diesem von Kohle auf Ölbefeuerung umgebauten Steamer machte ich meine 6-monatige Dampferfahrzeit, die für den Besuch der Schiffsingenieurschule erforderlich war. Der Dampfer war in der Holz-, Kohle- und Phosfatfahrt zwischen Ostsee und Mittelmeer eingesetzt.

Deutschland
Deutschland
Polen
Polen
Italien
Italien
Spanien
Spanien
Tunesien
Tunesien
Frankreich
Frankreich
Deutschland
Deutschland


Die Kohle von Polen ging nach Porto Torres oder Cagliari auf Sardinien. Hier existierten noch Höhlenwohnungen in den Felsen. In vielen Restaurants von Cagliari wurden gebratene Singvögel angeboten, die von den Einheimischen auf den Straßen mit Genuss gegessen wurden.
Auf der Rückreise wurde Phosphat in Sfax/Tunesien für Rouen geladen.


D "KETTWIG" im Nord-Ostsee-Kanal

In den Häfen von Ceuta oder Melilla - spanische Enklaven in Marokko - haben wir meist gebunkert.
Die schönsten Liegezeiten waren in Danzig und Gdingen. Hier lebten wir wie der Herrgott in Frankreich. Die DM wurde auf dem schwarzen Markt umgetauscht. So konnten wir für 20 DM ein paar Tage mit Krimsekt und den schönsten Frauen all das genießen, was ein Seefahrerherz höher schlagen lässt. Oft verbrachten wir die Nacht in Zoppot. In Danzig rund um den Neptunbrunnen dachten wir, wie schön doch die Stadt ist. Leider waren es nur Fassaden, die hinten mit Gerüsten abgestützt wurden. Dahinter begannen die Relikte aus dem 2. Weltkrieg, alles nur Trümmer.

Neufahrwasser
Dampfer "Janina" auf der Fahrt nach Weichselmünde


Neptunbrunnen in Danzig

Grandhotel in Zopot


Seenot:
Auf meiner letzten Reise gerieten wir in der Biscaya in akute Seenot. In solchen Situationen versucht man, das Schiff gegen den Wind zu steuern, denn bei Orkan können seitliche Winde und Wellen das Schiff zum Kentern bringen. Die See von hinten kann das Schiff überrollen und unter Wasser drücken. Ein einzelner Maschinist war während dieser Zeit für die Kessel und Maschinen verantwortlich und hatte außerdem die zu Dampfmaschine bedienen. Das heißt, er mußte aufpassen, wenn die Maschine anfing in die Knie zu gehen. Das passiert immer dann, wenn das Schiff mit dem Bug hochkommt und das Heck tief in die See eintaucht. Jetzt kommt es auf das Geschick und die Erfahrung des Maschinisten an, per Hand im richtigen Augenblick die Dampfzufuhr per Drosselklappe zu regulieren. Es könnte fatale Folgen für Schiff und Maschine nach sich ziehen, wenn die Schiffsschraube aus dem Wasser kommt und durchdreht. Die Kessel wurden während dieser Zeit mit reduziertem Druck gefahren. Während der Zeit, in der wir mit Schwimmwesten in den Gängen ausharren mußten, wagte ich einen kurzen Blick nach draußen. Ich habe in meinem Leben nie wieder eine so extreme Gischt - Schaumwasser vom Sturm - gesehen. Man sah nicht die Hand vor den Augen. Mit viel Glück erreichten wir unseren Zielhafen Rouen. Bei einem hier im Hafen angesetzten Bootsmanöver erwiesen sich die alten Holzrettungsboote als absulut seeuntauglich. So wie man sie ins Wasser der Seine setzte, liefen sie voll Wasser.


Während der Seenotsituation musste sich die Crew mit Schwimmwesten in den Gängen postieren.

Der Sturm lässt nach


Der Tag nach dem Sturm




Ich an der Drosselklappe

Foto: H.-J. Peters
Kessel wird geblasen

Routinearbeiten am Saackebrenner vom Kessel



Foto: H.-J. Peters
Brücke

Foto: H.-J. Peters
Bootsdeck

Foto: H.-J. Peters
Vorschiff



Sonnenuntergangsstimmung


Die Arbeiten auf dem Schiff hielten sich in normalen Grenzen. Die Assis teilten sich die Wachen mit dem Heizer. Das Abfühlen der Pleuel-, Kurbelwellen- und Kreuzkopflager von der Dampfmaschine während des Betriebes erforderte einiges Geschick. Man musste im Takt der Maschine den richtigen Moment abpassen, um die drehenden Maschinenteile zu berühren, ansonsten konnte man sich erheblich verletzen. Außerdem musste man sich gut festhalten, um bei schlingerndem Schiff nicht in die Kurbelwanne zu fallen. Viel Geschick erforderte auch die ansonsten simple E-Anlage. Das für Kriegszwecke gebaute Schiff verfügte unüblicherweise über Sicherungen im Plus- und Minusleiter. Die Sicherungen brannten laufend durch. Höchstwahrscheinlich durch die erhöhten Ansprüche der Crew mit neuesten Elektrogeräten. Die Sicherungen wurden mit immer dickeren Drähten überbrückt. Es wusste keiner an Bord welche Sicherung wofür benötigt wurde. Trotz alledem denke ich gerne an die Zeit auf der "KETTWIG" zurück.

Nach dieser Reise wurde das Schiff in Hamburg aufgelegt, wo ich am 16.1.1959 abmusterte und der erste Abschnitt meiner Seefahrerlaufbahn endete.

Leider ist es auf einer der letzten Reisen der "KETTWIG" zu einem tödlichen Unfall gekommen. Ein Assi war beim Abtasten der Lager in die Kurbelwanne gefallen.

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Verpflegung auf den Schiffen:
Die Verpflegung an Bord war im allgemeinen sehr gut. Es hing allerdings immer vom Koch ab, was er aus den Lebensmittel zubereitete. Pro Person und Tag wurde von der Reederei ein Betrag festgelegt, der nicht überschritten werden sollte. Meistens war es so, daß gute Köche mit einem Superessen weit unter dem Soll lagen, bei schlechten Köchen reichte das Geld in der Regel nicht aus. Mich wunderte es auf meiner ersten Reise, daß eines Tages ab Dienstag ein Großteil der Besatzung gar nichts mehr aß, obwohl, wie schon gesagt das Essen an Bord super war. Der Grund dieses merkwürdigen Verhaltens war folgendes: alle drei Monate an einem Donnerstag - dem Seemannssonntag - gab es auf See das langersehnte "CURRY-REIS-ESSEN". Der Seemannssonntag stammt angeblich aus der Zeit der Wikinger, denen der "Thorstag" heilig war. An diesem Tag wurden sich dann wieder die Bäuche vollgehauen. Auch ich habe dieses Essen lieben und schätzen gelernt. Auf allen Stinnes-Schiffen wurde diese Tradition gepflegt. An Land wird es heute noch auf den jährlichen Kameradschaftsabenden zelebriert. Die Rezeptur gibt es auf der Startseite unter "Exotische Rezepte".


Speisekarte MS "NIEDERSACHEN"



Als die erste Krise nach dem 2. Weltkrieg die Seefahrt erschütterte umfaßte die Stinnes-Flotte 14 Schiffe. Viele dieser Schiffe wurden aufgelegt und die "Alten" anschließend verschrottet.


M.S. "Cläre Hugo Stinnes"
13465 dwt, Baujahr: 1956

M.S. "Westfalen"
12935 dwt, Baujahr: 1956

M.S. "Württemberg"
11375 dwt, Baujahr: 1952

M.S. "Wolfsburg"
9650 dwt, Baujahr: 1919

M.S. "Glückauf"
9532 dwt, Baujahr: 1928

M.S. "Mülheim-Ruhr"
6350 dwt, Baujahr: 1915

M.S. "Niedersachsen"
6370 dwt, Baujahr: 1954

M.S. "Barbara"
5775 dwt, Baujahr: 1953

M.S. "Andrea"
5150 dwt, Baujahr: 1952

M.S. "Else Hugo Stinnes"
4792 dwt, Baujahr: 1950

D. "Kettwig"
4694 dwt, Baujahr: 1942

D. "Rheinland"
4450 dwt, Baujahr: 1924

M.S. "Concordia"
2050 dwt, Baujahr: 1953

M.S. "Atlanta"
1750 dwt, Baujahr: 1951


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Von März 1959 bis Juli 1960 besuchte ich die Schiffsingenieurschule in Bremen, wohnte während dieser Zeit bei meinen Eltern. Mußte aber für Kost und Logis zahlen. Das gleiche galt für die Nutzung des VW-Käfers meines Vaters. Es wurde ein Fahrtenbuch geführt und pro gefahrenen Kilometer abgerechnet.

Vor dem Studium arbeitete ich in Berlin auf der Lankewerft als Assistent bei der Bauaufsicht von Binnenschiffneubauten der Stinnes-Brenntag Rheinschiffe.
Fahrkarte von Bremen nach Berlin aus dem Jahre 1959

In den Semesterferien war ich ebenfalls als Assistent bei der Bauaufsicht des Massengutfrachters "Mülheim-Ruhr" bei den Lübecker Flender-Werken tätig.



Grundriss MS "Mülheim-Ruhr"


Stapellauf der MS "Mülheim-Ruhr" bei den Lübecker Flender Werken


Das Studium beendete ich mit dem Patent C5. Dieses Patent berechtigte die Ausübung als Leitender Ingenieur (Ltd. Ing.) mit Maschinenleistungen bis 6.000PS oder als Wachingenieur mit unbegrenzter Maschinenleistung.


C5 Kommilitonen

Info:
Patente sind Lizenzen, die man durch Seeamtsverhandlungen bei Havarien durch grobe Fahrlässigkeit oder Trunkenheit - wie übrigens bei Ärzten und Anwälten auch - wieder verlieren kann.



Suche von ehemaligen Kollegen:
Mit Beginn des Schreibens dieser Seite über meine Seefahrtzeit, habe ich im Internet die Suche nach ehemaligen Fahrensleuten gestartet. Bisher haben sich Kameraden von folgenden Schiffen gemeldet:

MS "Andrea":
Horst Thimm
Hans Parlitz
Helmuth Strenge

MS "Barbara":
Oswald Meissner
Peter Wilhelm

Hier geht es weiter zu Peter Wilhelm's Bericht aus dem Jahre 1957/58 von der Mülheim-Ruhr "Hitze und heilige Kühe"

MS "Niedersachsen":
Franz Birkhahn
Oswald Meissner
Hans Parlitz

D "Kettwig":
Hans Parlitz
Helmuth Strenge

Wenn jemand Kontakt zu diesen Personen aufnehmen möchte, der schreibe mir doch bitte ins Gästebuch oder eine E-mail per Flaschenpost, wenn es vertraulich sein soll. Ich leite die Post dann gerne weiter.



Hier geht es weiter zu: "SEELEUTE SUCHEN SEELEUTE"
Seeleute im Internet


"MUSTERROLLE"



letztes update: 1. Dezember 2018
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