Äquatortaufen

Äquatortaufen-Rituale
Meine Taufe auf MS "Mülheim-Ruhr" 1961 während der Reise nach Lobito/Angola
Taufe auf MS "Barbara" 1962 auf der Reise nach Guayaquil/Equador mit mir als Thetis
Ich als Ehrengast bei der Taufe auf MS "Westfalen" 1967 auf der Reise nach Wewak/Papua Neuguinea


Kreuz des Südens
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Die Äquatortaufe ist ein weltweit übliches Ritual von Seeleuten, wenn ein Besatzungsmitglied zum ersten Mal den Äquator von der Nord- zur Südhalbkugel überquert. Die Äquatortaufe ist keine religiöse Taufe. Ihr Ursprung stammt höchstwahrscheinlich aus der Zeit der portugiesischen Entdeckungsreisen.

Während meiner Fahrtzeit habe ich oft den Äquator überquert. Ob die Zeremonie einer Taufe stattfand, wurde stets von der Schiffsleitung bestimmt. Es hing von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel:
- die Wetterlage in der sich das Schiff gerade befand
- die zur Verfügung stehende Zeit
- die Anzahl der Täuflinge an Bord, denn es lohnte sich nicht eine Taufe für nur eine Handvoll "verdrecktes Gesinde der Nordhalbkugel" zu    veranstalten.
- Natürlich spielte die jeweilige Einstellung der Schiffsführung zur Taufe eine große Rolle - entweder hatte man Spaß an der Feier oder man    sah es als unnötig an.

Meine Taufe auf der MS "Mülheim-Ruhr" war geprägt von einer an Bord herrschenden Autorität und strikten Hierarchie. Die Stimmung bei der Taufe bestand mehr aus Frust als Lust - von Fröhlichkeit daher keine Spur. Hinzu kam, dass die anschließende Tauffeier von der Mannschaft und den Offizieren getrennt durchgeführt werden musste.

Die in jeder Hinsicht mit Abstand beste Taufe fand an Bord der MS "Westfalen" auf der Reise nach Papua/Neuguinea statt. Sie war für die ganze Schiffsbesatzung ein großes Vergnügen und blieb für alle Beteiligten unvergesslich.



Meine Taufe auf MS "Mülheim-Ruhr" 1961 während der Reise von Rotterdam/NL nach Lobito/Angola

Die "MÜLHEIM - RUHR" fuhr zum Jahresende 1960 in Ballast mit ca. 15 Knoten bei ruhiger See und wolkenverhangenem Himmel an der westafrikanischen Küste südwärts Richtung Kap der guten Hoffnung.


Massengutfrachter - MS "MÜLHEIM-RUHR" - 17.014 tdw

"In Ballast" bedeutet eine Reise ohne Ladung. Im Schiff werden vorhandene Tanks mit Seewasser gefüllt. Dieses Verfahren ist aus der modernen Schifffahrt nicht mehr wegzudenken. Es dient zur Stabilisierung der Schiffe, wenn sie leer oder ungleichmäßig beladen sind und sorgt für eine sichere Lage sowie das komplette Eintauchen des Propellers während dieser Leerfahrten.

Zu dieser Zeit wurde an Bord heftig gehämmert und gezimmert, eine ungewöhnliche Tätigkeit auf einem Massengutfrachter. Auf der Backbordseite baute man aus dicken Holzbalken ein mit Segeltuch ausgekleidetes Schwimmbecken. Außerdem befanden sich noch andere merkwürdige Dinge im Bau. Diese rege Betriebsamkeit deutete auf ein ganz besonderes Ereignis hin. Ist doch klar, alle wissen es:


Es bedeutet, dass das ungetaufte, dreckige und stinkende Pack der nördlichen Halbkugel gereinigt und geläutert werden soll, um in den erlauchten Kreis der Südseefahrer aufgenommen zu werden.
Ein Anschlag am schwarzen Brett verkündete, dass sich alle Besatzungsmitglieder - soweit sie dienstfrei haben - am 1. Januar um 16.00 Uhr in der Offiziersmesse einfinden sollen. Bei einem kleinen Umtrunk kam der Kapitän auf den Anlass dieses Zusammentreffens zu sprechen. Dem Funker erreichte zwischenzeitlich ein Telegramm mit folgendem Inhalt: "Alle Besatzungsmitglieder sollen, soweit sie dazu in der Lage sind, ihre Original-Äquator-Tauf-Urkunden vorlegen". Die schon auf anderen Reisen getauften Besatzungsmitglieder waren jetzt damit beschäftigt, ihre Taufscheine zu suchen und zu sichern, die der Kapitän auf ihre Gültigkeit überprüfte. In diesem Moment, als er die letzte Urkunde kontrollierte, stürmten unter lautem Getöse eine Horde zwielichtiger Gestalten in die Messe. Es war Triton, der Sohn des Meeresgottes, begleitet von zwei bastrockbekleideten halbwilden Schwarzen. Mit finsterer Miene öffnete Triton seine Pergamentrolle und verkündete folgendes:

Im Namen Neptuns, seiner königlichen Majestät, Herrscher über alle Meere, Seen, Flüsse, Teiche, Pfützen und sonstiger abwasserführender Rohre, tue ich folgendes kund: Wie wir durch unsere Späher in Erfahrung gebracht haben, befinden sich - Herr Kapitän - auf der "Mülheim-Ruhr" einige Besatzungsmitglieder, die noch nicht vom Schmutz der nördlichen Halbkugel gereinigt wurden und somit nicht im Besitz eines entsprechenden Zertifikates sind.

Sicherlich wird Neptun so gnädig sein, an dem stinkenden Pack nach altem Ritus und Brauch den Taufakt für die Einfahrt in die südliche Hemisphäre zu vollziehen". Im Anschluss an diese Verkündung meinte Triton: "Mmmm - ja, von einem Gläschen "Aquavit" wären wir natürlich nicht abgeneigt. Es wird die morgige Taufe sicherlich positiv beeinflussen".
Dann wandte er sich mit folgenden Worten direkt an den Kapitän: "Bevor wir uns verabschieden und Ihnen eine gute Weiterreise wünschen, hätten wir doch noch die Delinquenten persönlich in Augenschein genommen". Ein kurzer Blick bestätigte Triton, dass diese verdreckten und verlausten Kreaturen ohne Läuterung vor Neptun treten können.
Er ordnete an, dass sie am morgigen Tag der Taufe mit Beginn des Sonnenaufganges bis zum Beginn der Zeremonie im abgeschotteten Kabelgatt eingekerkert werden müssen.

Das Kabelgatt befindet sich im Bug, das heißt in der vorderen Spitze des Schiffes. Es dient zur Aufbewahrung von Farben und Tauwerk sowie der Ankerketten. Durch die Sonneneinstrahlung direkt am Äquator ist es dort besonders warm, zumal der Raum über keinerlei Lüftung verfügt. Außerdem verleihen die dort gelagerten Materialien dem Raum einen "einzigartigen" Geruch.

Am Abend vor der Taufe saß man, wenn auch für einige mit gemischten Gefühlen, gemütlich beieinander. Es wurden von den Täufern böse Geschichten über die bevorstehende Taufe erzählt. Dies beflügelte einige Delinquenten, die Täufer zu bestechen in der Hoffnung, dass die Zeremonie dann doch etwas moderater ausfallen würde.
Am Tage meiner Taufe ging ich, wie üblich, meine 4-8 Uhr Wache. Danach duschte ich und begab mich in die O-Messe zum Frühstück. Anschließend - oh Schreck - erwartete man mich schon , um mich in den Kerker des Kabelgattes zu den anderen Täuflingen zu verfrachten. Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, wer vor mir mit einem hämischen Grinsen als Polizist stand. Es war der 3. Ing. Wie lange ich im Knast ausharrte, weiß ich nicht mehr, denn ich hatte keine Uhr bei mir. Als ich aus dem Gefängnis geholt wurde, stand nicht die Taufe für mich auf dem Programm, nein, ich durfte für den 3.Ing. die Wache von 12-16 Uhr gehen, da er als Cop bei der Tauftzeremonie unentbehrlich war.
Während meiner Zeit im Maschinenraum lief oben an Deck die Taufe nach den üblichen Riten der Seefahrt ab. Irgendwann am späten Nachmittag wurde ich nach oben gebeten, natürlich wieder von dem widerlich grinsenden 3. Ing. Nun stand meiner Taufe als letzter der Delinquenten nichts mehr im Wege.
Oben an Deck war keiner der anderen Täuflinge mehr anwesend. Den Täufern war ich nun willenlos ausgeliefert. Meine Annahme, es ginge alles schnell über die Bühne, erwies sich als ein gewaltiger Irrtum. Unter den Täufern erkannte ich viele Gesichter, die ich lieber nicht hätte sehen wollen, wie z.B. den Elektriker und den Storekeeper. Wahrscheinlich war bereits vorher geplant, mich bis zum Schluss warten zu lassen, denn schließlich hatten sie einen Delinquenten, der im Vergleich zu den anderen bereits den Titel eines 2.Ing. führte. Es kam nicht oft vor, dass ein Besatzungsmitglied aus der höheren Hirarchie getauft werden sollte.


Thetis und Neptun

Neptun's Hofstaat

Wenn mich heute jemand fragt, wie die Taufe in allen Einzelheiten abgelaufen ist, ich kann es nicht mehr genau sagen.
Nur soviel: Zuerst musste ich durch einen ca. 3 Meter langen Luftsack krabbeln. Hierbei handelt es sich um einen aus Segeltuch gefertigten Schlauch von etwa 70 cm Durchmesser. Von vorne spritzte man mir aus einem Feuerwehrschlauch Wasser ins Gesicht, von hinten wurde mit einem Stück Gummischlauch auf mein Hinterteil geklopft, so dass ich mich möglichst schnell durch den Sack bewegte. Danach hatte ich mein Gelöbnis beim Tiefseepastor abzugeben. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich immer brav mit: "Ja das gelobe ich" antworten musste. Anschließend ging es zur Thetis, die Tochter Neptuns. Zur Huldigung war ich gezwungen, ihr den rechten Zeh zu küssen.



Dabei stand immer und überall der widerliche 3.Ing. als Polizist an meiner Seite. Bevor ich mich versah, hatte er mir mein Gesicht in die auf dem Fuß der Thetis befindliche Mixtur aus stinkendem Fisch und altem Fett gedrückt.
Weiter ging es zum Astronom, der mir den Äquator zeigen wollte. Ich mußte durch zwei zusammengebundene Flaschen sehen. Dabei fragte man mich zum wiederholten Male: "Siehst Du den Äquator?" Das Ende der Flaschen wurde immer steiler gestellt, so dass mir irgendwann die Flüssigkeit, die aus einer Essig-Salz-Mischung bestand, in meine Augen lief, die anschließend brannten wie Feuer.



Beim Arzt angekommen, musste ich zuerst meinen Mund öffnen, damit er hineinschauen konnte. Sein Kommentar:
"Oh, Du hast ja eine Entzündung, dagegen musst Du jetzt diese Medizin schlucken".
Hierbei handelte es sich um eine Tablette, so groß wie eine 2 DM-Münze, vom Koch aus Sägespänen hergestellt und pfurztrocken. Ich war nicht in der Lage, dieses "Medikament" herunterzuschlucken, was man mir auch ansah. Auf die Frage des Arztes, ob ich etwas Flüssigkeit haben möchte, antwortete ich sofort mit ja, doch was ich dann bekam, war noch schlimmer. Mir wurde aus einer Ölkanne eine Tabascomixture direkt in den Mund gespritzt. Nun beförderte man mich auf die Liege des Herrn Doktor und der Polizist hielt mich fest. Jetzt wurde mir die Hose im Bereich meiner Intimsphäre geöffnet und man bescheinigte mir, dass ich Filzläuse bzw. Sackratten habe. Mit einer Mischung aus Zylinderöl und Graphit wurde dieses angebliche Ungeziefer behandelt. Jetzt war das Abhorchen mit einem Stetoskop an der Reihe, allerdings mit dem Unterschied, dass sich in der Mitte dieses medizinischen Gerätes eine Nadel befand, die bei jedem Aufsetzen auf meinen Körper fürchterlich piekste. Zum Schluss beschmierte man mir den Brustbereich mit einer schnell trocknenden Signalfarbe, die aussah wie Blut.






Jetzt ging es nochmals zum Tiefseepastor, aber den Grund dafür weiß ich nicht mehr.





Auf jeden Fall war danach der Friseur an der Reihe, denn man musste ja gepflegt aussehen, wenn man Neptun gegenüber tritt. Mein Bart wurde mit einer ekelig stinkenden und stark schäumenden Brühe eingerieben. Ich sah anschließend nur noch das riesengroße hölzerne Rasiermesser, welches mit Schmirgelpapier überzogen war. Es wurde mir auf meine schon von den vorausgegangenen Prozeduren lädierte Haut geschabt.





Ehe ich mich versah und überhaupt wusste, was los ist, warf man mich rücklings im hohen Bogen ins Taufbecken.




Im Becken griffen die bastrockbekleideten Schwarzen - regelrechte Muskelprotze - nach mir und tauchten mich unter Wasser. Ein kurzes Auftauchen, was kaum ausreichte um Luft zu holen, dann ging es wieder in die Tiefe. Diese Prozedur wiederholte sich mehrere Male. Zwischendurch wurde ich gefragt, was ich Neptun spenden will. Zuerst war ich noch mutig und sagte: "Nichts". Das Untertauchen wurde so lange wiederholt, bis mein Widerstand gebrochen und die Schwarzen mit meiner Spende zufrieden waren. Gesäubert und geläutert durfte ich nun Neptun gegenübertreten und meine Taufe empfangen. Er taufte mich auf den Namen des edlen Fisches "Lachs".


Der Taufschein, das Objekt der Begierde. Diese Urkunde der Äquatortaufe habe ich während meiner Seefahrtzeit stets zusammen mit Seefahrtsbuch und Reisepass gut gehütet verwahrt.

Jetzt verschwand ich auf dem schnellsten Weg in die Maschine, um mich, soweit es möglich war, zu säubern. Ich ging meine Wache bis um 20.00 Uhr zu Ende und begab mich dann frisch gewaschen zu der bereits feiernden Taufgesellschaft. Alle Täuflinge hatten die Läuterung ohne nennenswerte Schäden überstanden. Neptun und sein Gefolge waren zwischenzeitlich wieder in die Tiefsee abgetaucht.
An diesem Tag nahm ich mir vor, mich zu revanchieren, sobald sich für mich die Möglichkeit bietet, an einer Taufe aktiv teilzunehmen.

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Taufe auf MS "Barbara" 1962 auf der Reise von Buenaventura/Kolumbien nach Guayaquil/Equador mit mir als Thetis


Stückgutfrachter - MS "BARBARA" - 5.770 tdw

Zwischen den Häfen von Buenaventura und Guayaquil stand nach nur 6 Monaten erneut eine Äquatortaufe auf der MS "Barbara" an. Nun bot sich für mich die Gelegenheit, als aktiver Helfer Neptuns mein Versprechen einzulösen, das ich mir nach meiner Taufe geschworen hatte.
Es war ein großer Unterschied, an der Planung, Gestaltung und dem Ablauf der bevorstehenden Zeremonie teilzunehmen. Dabei wurden die bei der eigenen Taufe gemachten Erfahrungen weitergegeben. Die Vorbesprechungen dienten dazu, den Ablauf der Feier genau festzulegen. Eine Vielzahl von Erlebnissen der bereits Getauften wurde in die Zeremonie eingebracht. Im Grunde genommen sind die Riten ziemlich gleich. Es war ganz natürlich, dass es von Schiff zu Schiff, von Reederei zu Reederei, von Fahrtgebiet zu Fahrtgebiet, vom Kapitän oder von den Wetterbedingungen abhängig, unterschiedlich gehandhabt wurde. Am Abend vor der Taufe, als Triton mit seinen bastrockbekleideten halbwilden Schwarzen erschien, hatte ich auf einmal Mitleid mit den zu taufenden Kreaturen. Meinen Plan, den Täuflingen das gleiche widerfahren zu lassen, wie es mir geschehen war, ließ ich fallen. Die Taufe soll und muss nach alten überlieferten Riten abgehalten werden, sie soll aber auch Freude und Spaß bereiten.
Am Tag der Taufe genoss ich mein Mitwirken als Thetis.


Ich als Thetis


Neptun mit Gefolge

Zeremonienplatz


Tiefseepastor


beim Arzt



"Fischessen" bei Neptun


beim Friseur


Diesmal verlief sie mit viel mehr Freude und guter Laune als auf der Mülheim-Ruhr, ebenso verlief die anschließende Party. Am Abend wurde viel erzählt und gelacht, denn man freute sich schon wieder auf den nächsten Landgang am kommenden Tag in Guayaquil.

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Ich als Ehrengast bei der Taufe auf MS "Westfalen" 1967 auf der Reise von Nagoya/Japan nach Wewak/Papua Neuguinea


Stückgutfrachter - MS "WESTFALEN" - 12.935 tdw - In NYK-Charter

Diese Taufe war mit Abstand die Beste während meiner vielen Äquatorpassagen. Sie verlief sehr harmonisch und fröhlich, obwohl sich im Ritual wenig geändert hatte. Das Bordpersonal, ob von Deck oder Maschine, war auf dieser Reise zu einer kollegialen Gemeinschaft zusammengewachsen.

Die Texte stammen von einer schon als verloren geglaubten Pergamentrolle der "Westfalen".


Meine lieben Täuflinge!
Mein Name ist Triton - und Neptun mein Herr, hat mich heute hier auf das Motorschiff "Westfalen" geschickt, um die Taufe vorzubereiten.
Hier an Bord sind elf Männer, die das erste mal von Nord nach Süd über den Äquator fahren und vom Schmutz der nördlichen Halbkugel gereinigt werden sollen. Dieses geschieht nach alter Seemannstradition.
Ich rufe jetzt alle Täuflinge namentlich auf und dann mit "hier" zu antworten.


Jens Hamann
Michael Frommhold
Herrmann Bohn
Klaus Thiel
Grundwald Bittner
Klaus Jars
Gottfried Rapp
Max Loeffler
Klaus Reimann
Roland Schindler
Lothar Kress


Nun bitte ich alle, in Demut niederzuknien, bis ich vom Besuch des Kapitän zurückkomme.

Sehr geehrter Herr Kapitän!
Heute, am Vorabend der Taufe, schickte Neptun, mein Herr, mich, um Sie aufzusuchen und die Erlaubnis für die Äquatortaufe einzuholen. Auch soll ich die Taufvorbereitungsarbeiten durchführen.
Es gibt auf Ihrem Schiff verschiedene Männer, die das erste Mal den Äquator überfahren und so nach alter Tradition getauft werden sollen.
Wenn Sie einwilligen, will Neptun, der Herrscher aller Meere, morgen selbst an Bord kommen, um der Taufzeremonie beizuwohnen.
Wie mein Herr mir sagte, sind Sie kein Unbekannter in den südlichen Breiten. Oft hat man Sie im Laufe Ihres Seemannslebens den Äquator überfahren sehen. Immer war es eine Freude für uns, in Ihnen den ruhigen, ausgeglichenen und freundlichen Mann wiederzuerkennen.
Auch wurde ich unterrichtet, dass Sie nach dieser Reise Abschied vom Seemannsberuf und so Abschied vom Meer nehmen wollen. Neptun und seine Gefolgsleute gönnen Ihnen nach einem arbeitsamen Leben die Ruhe an Land. Alle wünschen Ihnen noch recht behagliche und erfüllte Stunden an Bord Ihres Schiffes.
und nun meine Frage an Sie:
"Sind Sie, Herr Kapitän, damit einverstanden, dass Neptun, mein Herr, für eine kurze Zeit die Schiffsgewalt übernimmt, um die Männer aus dem Norden für das Passieren der Linie reinzuwaschen und sie unter seiner Aufsicht nach alter Seemannstradition zu taufen?"
Wenn ja, antworten Sie bitte: "Ja, ich bin einverstanden"!
Ich danke Ihnen im Namen Neptuns. Wir werden uns Ihres Vertrauens würdig erweisen. Neptun wird Ihre weitere Reise verfolgen und alles tun, was in seiner Macht steht, Ihr Schiff, Ihr Kommando vor dem Unwillen der Seefahrt zu schonen.
Dürfen wir Sie, Ihre Gattin und den Chief morgen bei der Taufe als Ehrengäste erwarten? Es würde der Feier die Würde und Feierlichkeit geben, die sie verdient.

Der Kapitän ist mit der morgigen Taufe einverstanden und Neptun wird dann für diese Zeit die Gewalt des Schiffes übernehmen.
Morgen um 13 Uhr haben sich alle Täuflinge in kurzer Hose und Schlips vor Luke IV zu versammeln. Das Rauchen und Trinken ist ab sofort bis zur öffentlichen Feier am Abend strengstens von Neptun untersagt worden.
Anschließend, nachdem wir ein Gebet gemeinsam gesprochen haben, begibt sich jeder unverzüglich in seine Kammer und wartet dort auf Triton und seine Begleiter, die dann gemeinsam die Testamente einsammeln.

Neptun unser,
der Du bist Herrscher aller Meere, Seen, Teiche, Tümpel, Flüsse, Bäche und Pfützen,
wir glauben an Deine Macht.
Wir glauben, dass Du Stürme und Wogen dirigierst,
wir vertrauen Dir unser Schiff und unser Geschick an.
Mögest Du wie ein Weiser an unseren kleinen und großen Fehlern vorbeisehen und sie uns verzeihen.
Wir vertrauen auf Deine Gerechtigkeit
und unterwerfen uns bedingungslos Deinem Urteil.
Durch milde Opfergaben wollen wir Dir den Beweis unserer Treue und unsere Hochachtung darbieten.
Du sollst in Deiner unendlichen Weisheit entscheiden,
wie schwer unsere Vergehen gesühnt werden sollen.
Alles was wir Dir morgen spenden, geschieht freiwillig aus einem großen Herzen und mit großer Freude,
da es Dir zur Ehre gereicht.
AMEN


Der Ablauf des eigentlichen Taufaktes unterschied sich nicht wesentlich von denen, wie sie auf der "Mülheim-Ruhr" bzw. auf der "Barbara" praktiziert wurden.


Foto: M. Frommhold
Die Ehrengäste - Kapitän mit Frau und ich - waren genau so begeistert wie alle anderen Beteiligten. Es war eine ausgesprochen fröhliche Feier.


Foto: M. Frommhold

Foto: M. Frommhold

Foto: M. Frommhold
Neptun und sein Hofstaat erwarten die ersten Täuflinge auf dem Zeremonienplatz




Abholung der Täuflinge durch die Polizei




Huldigung der Täuflinge bei Thetis und Neptun





Foto: M. Frommhold
Beim Astronom auf der Suche nach der Linie des Äquators




Foto: M. Frommhold

Die äußerst gründlichen Untersuchungen beim Arzt und seinen Gehilfen




Man kann nur gut rasiert und frisiert "Neptun den Herscher aller Meere" gegenübertreten



Im Wasserbassin wurde der eigentliche Taufakt mehr unter als über Wasser vollzogen



Ein überglücklicher Täufling, der alles ohne gesundheitliche und seelische Schäden überstanden hat - alle anderen natürlich auch


Es war rund herum eine fröhliche Taufe an der alle Beteiligten ihren Spaß hatten. Nach dem sich alle Täuflinge gesäubert und umgezogen hatten erhielten sie ihre Taufscheine. Anschließend saßen alle bei einem Umtrunk gemütlich zusammen, dabei wurde viel erzählt und gelacht. Für mich war es die schönste Taufe während meiner Fahrzeit.


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letztes update: 9. Dezember 2018
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