Hans-Werner Schleiter
Maritime Black Box
Die geniale Erfindung von Kapitän H-W Schleiter



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Erlebt und geschrieben von Kapitän Hans Werner Schleiter, bearbeitet von Ralf Sander

A: Die von mir gegründete Firma, die Geschichte der Avecs Corporation AG

1991 hatte ich eine Firma mit den Namen MMC (Multimedia Marketing Computer Systems) in Kanada und 1992 dann in Potsdam, Deutschland gegründet. Eine Spezialität dieser Firma war unter anderem, die Entwicklung von CBT (Computer Based Training) Programmen. Diese Systeme hatten volle multimediale Fähigkeiten - also Sprache, Grafik, 2D und 3 D Animationen, sowie volle Videokapazität. Außerdem konnte man damit externe Sensorik, Mikrofone und Datennetze beliebig verbinden.

Jeder Vorgang im Programm wurde mit Zeit und Datumsstempel aufgezeichnet und gespeichert. Die Programmoberflächen waren sehr userfreudlich gestaltet, so daß man die Benutzung des Programms in kürzester Zeit erlernen konnte.

1992 war dies eine absolute Novität in Deutschland, obwohl in den USA und Kanada die Entwicklung dieser Systeme längst in vollem Gange war. Die entsprechenden Programmiersprachen erlernte ich in einem Studium in Kanada und  in den USA.  Die hierfür speziellen Computer wurden in Kanada für mich konfiguriert und ich hab sie dann nach Deutschland importiert.

Leider kam ich mit meinen modernen Ideen nicht gut an, erhielt zwar hin und wieder ein paar Aufträge, aber Anfang 1993 ging mir so langsam das Geld aus und ich stand kurz vor der Pleite. Gott sei Dank erhielt ich einen etwas größeren Auftrag der Babelsberg Studio Tour für einen interaktiven Pavillion auf ihrem Gelände.

Trotzdem sah ich keine konstante Zukunft für meine Firma und, um nach dem Auftrag überleben zu können, entschied ich mich, zurück in die Seefahrt zu gehen.

Da ich aber seit 1983 nicht gefahren war, mußte ich erst einmal alle meine Patente erneuern, denn diese waren nicht mehr gültig. Der neue Auftrag finanzierte die 14 Kurse, die ich bis Anfang 1994 absolvieren mußte, um meine Patente wieder gültig zu machen. Einen Job in der Seefahrt zu finden, war aber fast unmöglich und die Seefahrt befand sich in einem katastrophalen Zustand, über den ich schon in meinen anderen Beiträgen berichtet habe. Einer dieser Kurse war die Erneurung des „Feuerschutzscheins“. Hierzu belegte ich einen Kurs in der damaligen ÖTV Schiffssicherheitsschule am Fischmarkt in Hamburg.

Mein Lehrer war Kapitän Reichelt und er unterichtete wie noch vor 50 Jahren mit Kreide an der Tafel und Fotokopien von Unterlagen. Für mich als CBT Entwickler war dies ein wenig archaisch, was ihm auch mitteilte. Nach mehreren Gesprächen forderte er mich auf,  ihm doch mal auf dem Computer vorzuführen, was man da besser machen könnte. Eine Woche später führte ich ihm dies im Klassenzimmer vor und er war außer sich vor Begeisterung.

Hier begann nun eine außergewöhnliche Geschichte, die die Sicherheit an Bord von Handelsschiffen grundlegend mit veränderte. Kapitän Reichelt war außerhalb seiner Lehrtätigkeit Mitglied des Vorstandes der Hamburger Freiwilligen Feuerwehr (3000 Mann), organisierte Großübungen mit der Landesfeuerwehrschule, er war Sicherheitsberater für den Vorstand der SeeBG  und für Experten des Germanischen Lloyds. Weiterhin arbeitete er mit dem Bundesverkehrs- ministerium Abt. Seeschiffahrt zusammen, er kannte und hatte Kontakt zu allen Behörden , die für die Seeschiffahrt wichtig waren. Er produzierte außerdem Sicherheits - Lehrvideos zur Ausbildung von Seeleuten und „last not least“ hatte er über 20 000 Seeleute in seinem Leben ausgebildet. Er war ein außergewöhnlicher Mann und ein absolutes Energiebündel.


  B: Der Beginn der Entwicklung eines elektronischen Sicherheitssystems für die Seeschiffahrt

  Kapitän Reichelt erzählte mir von der neuen Sicherheitsgesetzgebung, die auf die Seefahrt zukam (ISM, detailierte Notfallpläne mit Checklisten und Maßnahmenkataloge, STCW, Crewmanagemnent, VDR usw) und er meinte, daß dies manuell nicht mehr machbar sei und man ein elektronisches Steuerungssystem erfinden müßte. Ich erklärte mich bereit zu versuchen, ein solches System zu entwickeln. Dazu waren aber Pläne, Daten und Unterlagen von Schiffen notwendig. Er besorgte uns von der Reederei NSB diese Unterlagen  über das Containerschiff „Contship Barcelona“ und wir entschlossen uns, einen interaktiven Notfallplan für die Feuerbekämpfung dieses Schiffes zu entwickeln.


M/S "Contship Barcelona"

Reederei: NSB, Buxtehude
Containerschiff
Flagge: China
Bauwerft: Bremer Vulkan AG, Bremen
Baujahr: 1991
Baunummer: 89
gross tonnage 16.236 t
deadweight 23.465 t
Länge: 164,18 m
Breite: 27,50 m
1 MAN type 6 L 60 MC, 10440 kW
Geschwindigkeit: 18 Knoten
Unterscheidungssignal: BHEN2
IMO Nr. 9008536


Als ich ihm die ersten Module vorstellte, meinte er nur, daß dies zwar theoretisch nicht schlecht wäre, sich dies aber nicht in die Praxis umsetzen ließe. Möchte hier nur erwähnen, daß wir dies alles aus eigener Tasche bezahlten und wir investierten außer Geld unsere gesamte Freizeit und viele Stunden in den Nächten der folgenden Monate. Meine finanziellen Mittel waren aber sehr sehr knapp und ich mußte alles, was ich noch hatte in diese Entwicklung stecken. Meine Frau und ich lebten von ihrem spärlichen Gehalt und wir lebten in einer 30 m² Altbauwohnung mit einem Briketts Kachelofen in Potsdam.

Schon bald sagte Kapitän Reichelt:“ Hans, so wird das nichts, du verstehst einfach zu wenig von realistischer Feuerbekämpfung“. Er arrangierte für mich einen inoffiziellen Lehrgang zum Brandmeister an der Landesfeuerwehrschule in Hamburg. Zwischendurch legte wir Geld zusammen, damit ich in Southhampton England eine „Advanced  Firefighting“ (fortgeschrittenen) Kurs absolvieren konnte. Dort erlente ich wenigstens schon mal, was es bedeutete innerhalb eines Schiffes Feuer zu bekämpfen, denn dort gab es eine Feuerhulk. (ein altes Schiff) in der verschiedene Feuer gelegt werden konnten.

Jeden meiner Maßnahmenkataloge oder die Checklisten nahm er auseinander und wir diskutierten und stritten uns manchmal nächtelang. Oft entwickelte ich in der Schule am Fischmarkt, damit er mich in den Pausen zwischen dem Unterricht unterstützen konnte und dies ging oft bis spät in die Nacht. Ein Auto konnte ich mir nicht mehr leisten und so fuhr ich den alten Lada meiner Frau, den sie von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte.

Zur Auflockerung eine lustige Zwischengeschichte:
Eines Nacht um 23.00 Uhr verließ ich die Schule, um nach Potsdam zurückzufahren.
Der Fischmarkt war voll mit Staßennutten.
Als ich zu meinem Wagen ging sprach mich eine an:
„Hallo Kleiner hast du nicht Lust auf ne schöne Nummer?“
Ich antwortete: „Nee laß mal, bin zu müde“
Als ich dann zu meinem alten Lada mit Potsdamer Nummer ging, sagte eine andere Nutte zur ersten. 
„Laß den bloß gehen, dat isn Ossi, der hat sowieso keine Kohle“
und das mir als Wessi ......


Zurück zum Thema:
Ich konnte an drei Großübungen der Hamburger Freiwilligen Feuerwehr teilnehmen und Ende 1993 durfte ich mit Kapitän Reichelt nach Glasgow zu einem speziellen Trainingscenter fahren, wo Notfall Teams ausgebildet wurden, die hauptsächlich auf Oil Riggs aber auch auf Schiffen eingesetzt wurden. Die Hamburger Landesfeuerwehrschule hatte eine Kooperation mit diesem Center.

Diese Schule war der Hammer, sie hatten alle möglichen Anlagen, in denen unzählige Notfälle realistisch simuliert werden konnten. Sie analysierten auch mein System und fanden zig Mängel. Sie konnten es auch nicht lassen, mich aufzufordern, an einigen ihrer realistischen Übungen teilzunehmen. Natürlich hatten sie eine Feuerhulk, in der sie die verschiedensten Feuer an den unmöglichsten Stellen auslösen konnten. Eine dieser Übungen, an der ich teilnahm, möchte ich beschreiben:
Es wurde ein Gasfeuer im unteren Deck der Hulk ausgelöst, bei dem dann  eine Raumtemperatur von rund 275 Grad herrschte. Man verpaßte mir einen gewaltigen Schutzanzug, Spezialschuhe und natürlich Helm und ein Preßluft-Atemgerät. An einer Sicherheitsleine hängend, begleiteten mich zwei Profis in der selben Montur. Wir trugen schwere Schaumlöscher. Vorsichtig näherten wir uns dem Feuerherd. Nach 15 Minuten fing mein Herz an zu rasen, ich schwitze wie ein Schwein, dauernd beschlug meine Sichtmaske mit vergoldeter Scheibe. Ich gab mir dauernd eine Pressluftdusche und war kurz vor dem Umkippen. Es war höllisch. Meine 2 Begleiter brachten mich aus dieser Hölle raus. Ich war komplett dehydriert und hatte über 1 Kilo an Gewicht verloren. Die anderen Übungen, an denen ich teilnahm, verliefen ähnlich. Was die Profis mir damit zeigen wollten war, keinerlei Illusion mehr über eine direkte Brandbekämpfung  an Bord eines Handelschiffes zu haben.

  Hier zwei Videos, wie es auf solch einem Trainingscenter mit Feuerhulk zugeht.






Keine Mannschaft der Welt könnte so eine Brandbekämpung ausführen !!!!!!


Dies hieß, wir mußten unser System nochmal komplett überdenken und umstellen. Immer mehr Experten interessierten sich aber für unser System.

Folgende Pläne eines Schiffes mußten mindestens in ein solches System interaktiv eingearbeitet werden: Generalplan, Feuer- und Sicherheitsplan, Tankplan, Fluchtwege, Brandschottenplan und natürlich ein Cargo Capacity Plan. Der leztere verursachte ein besonders großes Problem, denn es war unmöglich, die ganzen Gefahrengüter per Hand in unser System bei jeder Beladung einzugeben.

Die Reederei NSB brachte uns deshalb mit der Firma SEACOS ins Flensburg zusammen. Diese Firma hatte eines der besten Ladungsprogramme mit Beladungsvorschriften für Gefahrengut (mit einem interaktiven IMDG Code) entwickelt, welches auch massiv auf deutschen Schiffen eingesetzt wurde. Wir konnten einen Kooperationsvertrag mit dieser Firma aushandeln, welcher uns ermöglichte, die gewaltigen Datenmengen in unser Notfallprogramm interaktiv einzubinden. Unser System nahm langsam Form an.

Ende 1993 arrangierte Kapitän Reichelt eine Vorführung unseres Systems vor 10 Behörden der Seeschiffahrt. Die Vorführung fand im BSH in der Admiralitätstraße statt. Auch das Bundesverkehrsministerium (Kapitän Olson) war vertreten. Es wurde ein voller Erfolg und das System wurde als zukunftsweisende Technologie bewertet.

Anfang 1994 arrangierte das BVM eine Vorführung unseres Systems in der IMO in London, also im Walhalla der Seefahrt. Dies war äußerst ungewöhnlich, denn normalerweise darf keine private bzw. komerzielle Firma dort etwas vorführen. Da wir aber noch keine Firma waren, gingen wir als Berater der deutschen Delegation durch. Die Vorführung war ein unglaublicher Erfolg und machte unser Sytem international bekannt. Kurz danach machten wir noch eine Vorführung beim Verband Deutscher Reeder (VDR) und es war unglaublich, es begannen sich ernsthaft einige Reedereien für unser System zu interessieren.

Möchte hier die Reederei Buss und die Reederei Oltmann besonders erwähnen. All dies ermutigte uns im April, eine Firma (GmbH) zu gründen. Ich konnte gerade noch das Gründungskapital von 25 000 DM aufbringen und dann hatte ich noch 350 DM auf der Bank. Die Firma hieß AVECS (Audio Visual Emergency Control Systems). Das Programm hieß NAVECS und das N stand für Nautical.

Bei mehreren erfolgreichen Vorführungen im BVM konnten wir gut überzeugen und schließlich entschied sich diese Behörde, unser System als offizielle deutsche Entwicklung zu deklarieren. Man machte uns nicht öffentlichte Unterlagen von 800 Notfällen auf See zugängig. 36 % davon waren Feuer an Bord. Diese Unterlagen, die Reichelt und ich sehr genau analysierten, halfen uns, strukturierte Maßnahmenkataloge zur Notfallbekämpfung für Schiffsbesatzungen in den unterschiedlichsten Notfallsituation zu entwickeln. Einer dieser Notfälle war die Katastrophe der Kombifähre „Scandinavian Star“, über die ich zum Schluß Videofilme einbinden werde, die die gesamte Folge der Katastrophe und deren unglaubliche Auklärung zeigen.

Wer sich die Zeit nimmt, diese Filme komplett anzuschauen wird meinen Bericht bestens verstehen.

So wie das Programm zu diesen Zeitpunkt stand, genügte es dem kommenden ISM (International Safety Management Code) in keinster Weise. Es mußten noch ein Dutzend weitere Notfallpläne entwickelt werden aber all das konnten wir allein nicht mehr schaffen und wir brauchten  Hilfe und natürlich ein Finanzierungskonzept.

Bis zum März 95 versuchte ich nun eine Finanzierung aufzubauen. Aber welche Bank traut sich schon in Deutschland eine Innovation zu finanzieren, für die es noch nicht einmal ein fertiges Produkt gab. Ich war bei 21 Banken, eine schmiß mich physisch raus andere meinten ich wäre ein Phantast. Trotzdem gelang es mir einen Banker zu finden der an unsere Idee glaubte. Schließlich gelang es uns, eine gemischte Gesamtfinanzierung aufzubauen, die aus 30% Eigenkapital, 30 % Seed Capital der KfW , 20 % verschiedenen Bankkrediten bestand. Der Rest kam aus verschiedenen Förderprogrammen des Landes Brandenburg.

Wir mieteten in Potsdam in der 1.Etage eines Wohnhauses einige Gewerberäume und ich stellte 6 Programmierer ein. Alles junge Leute aus Potsdam, die zwar keine Ahnung von der Seefahrt hatten, aber super programmiereen konnten.

Leider passierte da etwas sehr Schlimmes. Ende 94 wurde Kapitän Reichelt sehr krank. Man konnte nicht richtig feststellen, was er hatte. Anfang 95 verfiel er zusehens und  verstarb im März. Es war furchtbar, mit anzusehen, wie dieser Hüne von Mensch der immer voller Energie war, einfach verfiel.

Nun stand ich allein vor den Problemen der Entwicklung und der neugegründeten Firma.

Ausserdem mußte ich Reichelts Anteile auskaufen, denn sonst hätten die Banker die Finanzierung gestoppt. Wenn mir mein Schwiegervater nicht mit seinen Ersparnissen geholfen hätte, wäre wohl alles über Kopf gegangen.

Meine Programmierer waren super und hoch motiviert, obwohl ich ihnen keine Spitzengehälter zahlen konnte. Oft saßen wir noch nachts um 4 an unseren Kisten und meine Frau brachte uns was zu Essen und immer ein gutes Fläschchen Wein.

Ich trainierte und schulte meine Leute in den Belangen der Seeschiffahrt. Viele Experten von verschiedenen Reedereien, dem Germanischen Lloyd und der SeeBG halfen uns bei der Entwicklung.

Im März 1996 hatten wir endlich ein funktionierendes System, das aber immer noch kein verkaufbares Produkt war. Wir hatten das Glück, daß wir über die Beziehungen meiner Frau ein Fernsehteam des NDR 3 Rostock für uns interessieren konnten.

Die Reederei Hermann Buss, Leer erlaubte uns, eine Test Installation an Bord ihres Schiffes „Charlotte Borchard“ zu machen und darüber einen Fernsehfilm während einer Mittelmeerreise zu drehen. Der Film hieß SOS „Seefahrt ohne Sicherheit“.


M/S "Charlotte Borchard"

Reederei: Hermann Buss, Leer
Containerfrachter
Flagge: Indonesien
Bauwerft: Volkswerft,Stralsund
Baujahr: 1993
Baunummer: 486
655 TEU, 9.517 dwt
Länge: 129 m
Breite: 20m
1 MAN, 6.640 kW
Geschwindigkeit: 16,4 Knoten
Unterscheidungssignal: POXG
IMO Nr. 9012800


Im August 96 war das erste System fertig und die Reederei Buss kaufte es. Hermann Buss erlaubte uns auch, anderen Reedern in seinen Räumen das System vorzuführen, was unsere erste Marketing Veranstaltung war. Unsere Finanzierung war erschöpft und ich wußte nicht, wie ich im nächsten Monat die Gehälter bezahlen sollte. Der Erlös des ersten System langte nicht hinten und vorne. Herrmann Buss, ein unglaublich kluger Mann mit Weitblick, half uns, indem er uns die Installationen für 12 weiere Schiffe im Vorraus bezahlte. Dies rettete uns vor der Insolvenz.

Am 31.08. 1996 wurde der Fernsehfilm in Deutschland ausgestrahlt. Danach stand das Telefon nicht mehr still. Reedereien und sogar Industrieanlagen riefen uns an und baten uns um Vorführungen.

Das NAVECS System galt aber nur für Container Schiffe und nun mußte es auch für alle  möglichen Schifftypen angepaßt werden. NAVECS wurde bis 2004  auf mehr als 3500 Schiffen installiert, getestet, in Notfällen eingesetzt und laufend verbessert. Weltweit stellten uns Sicherheitsexperten ihr Know How und ihre Erfahrungen zur Verfügung und so konnte das System kontinuierlich verbessert und weiterentwickelt werden. Ich selbst testete das System auf vielen Schiffen zusammen mit der Besatzung und immer fanden wir etwas, was es zu verbessern galt.

1997 begann die Entwicklung und Erweiterung.des NAVECS Systems für Fähren, speziell für Kombifähren. Dies wurde eine sehr komplexe Entwicklung, da es hier auch um die Sicherheit der Passagiere und deren Evakuierung  ging. Die Reedereien DSR, Finnlines, Poseidon und die Putgarden Doppelenderfähren machten mit uns eine Kooperation zur Entwicklung eines Systems für diese komplexen Schiffe. Hier wurden auch probeweise die ersten Prototypen einer Black Box eingesetzt. In hunderten von Übungen und sogar in ein paar echten Notfällen wurde das System immer wieder auf die Probe gestellt und es hatte immer einen sehr positiven Response. Das System konnte auch Off Line geschaltet werden und als reines CBT Trainingsprogram benutzt werden.

Den Rest dieser Geschichte im Telegrammstil:
Anfang 1997 Innovationspreis der deutschen Wirtschaft - Bad Godesberg. 20 Mitarbeiter, Entwicklung weiterer Programme

Ende 1997 6. Platz als beste deutsche Neugründung aus 72000 Bewerben. 32 Mitarbeiter, ISO 9001, Zertifizierung aller unserer Systeme durch internatinale Klassifikationsgesellschaften. (Lloyds Register, Det Noorske Veritas, Germanischer Lloyd) weitere Finanzierung durch eine Venture Capital Bank)


Zertifizierungen: Germanischer Lloyd ISO 9001, internationale Klassifikationsgesellschaften: LROS - DNV - GL

1998 Bau eines eigenen Firmen- und Wohngebäudes für Top Angestellte in Fichtenwalde bei Potsdam.41 Mitarbeiter

1999 Wandlung der Firma in eine Aktiengesellshaft die AVECS Corporation AG

2000 Kapitalerhöhung durch Verkauf von Aktien, 50 Mitarbeiter. Gründung der Tochterfirma Avecs Bergen GmbH zur Entwicklung einer „Black Box“, den VDR

2001 Gründung von Auslandsniederlassungen in Manila, Singapore, Hongkong und Sydney, 2800 Installationen auf allen Arten von Schiffen darunter 60 Fähren und Passagierschiffe, Fertigstellung und weltweite Zertifizierung des VDR, 90 Mitarbeiter weltweit. . .

2002 Erster Preis als „Most advanced Marine Company“ worldwide, London". Erste Installationen auf Kriegschiffen. (Korvetten, Versorger) Erste Installationen des VDR auf den Doppelender Fähren Putgarden-Fehmarn

2003 Nachrüstung des VDR auf allen 10 Superfast Fähren, Irish Ferries, Blue Star, Aida Kreuzfahrer, Finnlines usw. über 100 Mitarbeiter und 10 Software Systeme fertig entwickelt.

2004 war ich ausgebrannt und habe meine Aktienmehrheit an den Industriekonzern Interschalt GmbH in Hamburg verkauft und dann bin ich mit Familie nach Costa Rica ausgewandert.

In den folgenden Jahren führte mein von mir ausgesuchter Nachfolger AVECS zu einer Größe von 160 Mitarbeitern und die Firma hatte Installationen auf ca 4500 Schiffen in 21 Nationen. Und die Umsätze lagen bei 12 Mio €.

Von 1997 an war ich auch Vertreter Deutschlands im Auftrage des BVM bei den Internationalen MAIF (Maritime Accident Investigation Forum) bei dem mehr als 60 Nationen ständige Mitglieder sind.

Außerdem war ich Berater im Bundestag für die Ratifizierung einiger neuer Sicherheitsgesetze für die Seeschiffahrt sowie Berater bei einigen Seeamtsverhandlungen und bin Mitglied des Nautical Institute London.


. . . und so sah dann das fertige Gerät aus




Sicherlich wird dem Leser auch interessieren wie der Voyage Data Recorder (Black Box) auf Handelsschiffen funktioniert.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Voyage Data Recordern.
1. Der volle VDR fuer Neubauten und Schiffe, die schon volle Automation hatten.
2. Der S-VDR für kleinere Schiffe und ältere Schiffe, die nicht die elektronischen Vorraussetzungen haben, Daten automatisch auszulesen.

Grundsätzlich besteht der VDR aus 4 Teilen:
1. Der tauchfähigen Box mit dem Speicherchip. (Solid State Memory)
2. Einer eigenen zusätzlichen Stromversorgung (UPS) fuer 14 Stunden)
3. Datenkonzentrator und –wandler (Hardware Betriebssystem:Unix QNX)(Flash Memory)
4. und dem Replaysystem zum Auslesen der Daten (Software)(Betriebssystem Windows ab 2000) (Dieses System (mobil) kann sich auch an Bord befinden muss aber nicht, ist aber auf jeden Fall in der Reederei vorhanden) Die Daten sind nicht öffentlich zugänglich, nur bei Seeamtsverhandlungen und Unfällen können die Behörden die Herausgabe der Daten verlangen) (Hier läuft ein Rechtsstreit, ob die Daten allgemein für Kontrollbehörden auslesbar sein sollen.) Die Replaysysteme laufen auf jedem Laptop.

Die maximale Speichergeschwindigkeit betraegt 1 GB/sec
Die maximale Speicherdauer beträgt 12 Stunden. (Danach überschreiben sich die Daten kontinuierlich)
Natürlich gehören eine enorme Verkabelung, sowie Frame Grabber und Spezial Mikrofone dazu.
Zusätzlich gibt es freiwillig (nicht gesetzlich vorgeschrieben) Langzeitspeicher (Aufzeichnungen der ganzen Reise, oder Monate).
Weiterhin können diese Daten in Echtzeit ueber Satelliten übertragen werden.
(Inmarsat A und B)(Teilweise auch über Inmarsat F)
Solche Systeme nutzen sehr gute Reedereien, um konstant die Sicherheit an Bord und vor allen Dingen Beinaheunfälle auswerten zu können, um dann über ISM Code Anweisungen zu geben, die in Zukunft solche Situationen verhindern sollen.
Solche Systeme speichern auch technische Daten und dadurch lassen sich oft auch Mängel in Echtzeit erfassen.
Hochqualifizierte Ingenieure in der Reederei können sich zu jedem Zeitpunkt in das Schiff einklinken und Wartungsanweisungen geben.
Auf den AIDA Schiffen befinden sich die ersten in Deutschland hergestellten Echtzeit On-Line Systeme. Fast alle Passagier-Reedereien haben heute solche Systeme.
Es gibt große Frachschiffreedereien, die solche Systeme einsetzen.
Durch Reduzierung von Unfällen, Ausfällen und Verspätungen ließen sich die Kosten derartig reduzieren, dass sie ein Mehrfaches der Installationskosten einspielten.
Besonders beim Continious Survey für die Klassifikationsgesellschaften konnten gewaltige Kosten und Werftzeiten eingespart werden.
Ein solches System hat die Sicherheit der Seefahrt revolutioniert und wird in Zukunft wohl auf allen Schiffen eingesetzt werden.
Da bei Seeunfällen hinterher niemand genau wusste was eigentlich passiert ist, wurde die gesetzliche Einfuehrungspflicht durchgesetzt. Nun kann man fast jeden Seeunfall rekonstruieren. (obwohl 12 Stunden nach meiner Meinung zu kurz sind) Bis heute weiss niemand, warum das grosse hochmoderne Lashschiff “Muenchen” im Nordatlantik mit Mann und Maus verschwand. Wäre damals der VDR schon vorgeschrieben gewesen, könnte man die Ursachen feststellen.

Kommen wir zu den Funktionskriterien des VDRs.
Die Tauchkapsel: (Kriterien fuer die Zulassung)
1. Sie muss so auf einem offenen Deck befestigt werden, dass sie von einem Tauchroboter gehoben werden kann.(Zwei seitlichen Griffe, die nach Herunterdruecken das Speichergehaeuse freigeben - meistens auf dem Peildeck ueber der Bruecke)
2. 1 Stunde lang 1200 Grad Cel wiederstehen
3. 14 Stunden lang 270 Grad Celsius
4. Druckresistent bis 6000 Meter Wassertiefe (ca 600 bar)
5. Aufprallresistent bis 50 g
6. Sonarsignale bis zu 48 Stunden
7. Farbe: Orange
8. Speicherchip fuer 2 GB (einige sogar 4 GB) und 12 Stunden Aufzeichnung
9. Kältewiderstandsfähig bis -40 Grad (In Russland bis -60 Grad)

Alle diese Kriterien mussten in speziellen vorgeschriebene Testverfahren vom BSH abgenommen werden.
(z.B.: beim Hitzetest wurde die Tauchkapsel gleichzeitig von drei Seiten gleichmaessig mit Flammenwerfen bestrahlt)
Es ist klar, das der Chip speziell hergestellt werden musste. Dies geschah in den USA und die ersten Chips kosteten 7000 DM – nur der Chip)

Der Datenkonzentrator.
Wandlung aller Daten zum NMEA Standard in Echtzeit (Unix QNX)
Maximale Datengeschwindigkeit 1 GB /sec
Auf manchen Schiffen bis zu 15000 Auslesestellen (IPOs)
UPS Strromversorgung 12 Volt
Kapazitaet 14 Stunden

Daten die der VDR speichert:
• Datum und Zeit
• Schiffs Position
• Geschwindigkeit
• Kurs
• Brücken Audio (separate Mikrofone über den Radargeräten, Steuerplatz und in den Nocken) (die Nockenmikrofone können noch bei Windstaerke 10 ein geflüstertes Gespräch aufnehmen – sehr teuer) (Separate Aufzeichung Brücken-und Maschinenraumtelefon)
• Ship's VHF (Notfallkanaele 16 eventuell auch 12) (manchmal auch 2182 kHz)
• ARPA Radar Bild (alle 15 sekunden) (manchmal auch 2 Radargeräte)

Dies sind die Minimum-Anforderungen, die vor allen Dingen für den S-VDR gelten.
Bei dem VDR 4400 werden noch folgende Daten gespeichert:
Diese Signale müssen nur dann aufgenommen werden, wenn ein 61162 (NMEA0183) output vorhanden ist. (wie schon bei der Automation beschrieben, werden immer technische Vorraussetzungen geschaffen möglichst alle Systeme an Bord auszulesen:)
• Wassertiefe unter Kiel
• Ruderstellung
• Maschinen Order und Response (Vorgabe und tatsaechliche Leistung)
• Stadium aller Rumpföffnungen (Vor allen Dingen bei Fähren, wie Bug- Heckklappe, Boardingtüren usw.
• Status der Feuerklappen und Feuerschotten (Abfrage alle 15 sek)
• Hull Stress Monitor Daten
• Windgeschwindigkeiten und Richtung
• Zweitradar ebenfalls alle 15 sek versetzt zum ersten (1 pixel Genauigkeit)
• ECDIS (elektonische Seekarte)
• Optionen für spezielle Daten wie z.B.; Zylinderdrücke, Schraubendrehzahl, alle anderen Alarme, Feuerlöschanlagen, Wartungsdaten usw.
• Neueste Systeme recorden sogar die AIS Daten

Das Replaysystem
Eine multimediale Software, die unter Windows läuft ( ab Windows 2000)
Das Replaysystem spielt alle Daten zeitgleich wie ein Video ab. Man kan es anhalten oder zurückspulen.
Bei den Langzeitsystemen einiger Reedereien kann man sich so eine ganze Woche oder eine ganze Reise in Realzeit oder sogar gerafften Zeiträumen ansehen.
Durch die gespeicherten Radarbilder sieht man auch die Echos der anderen Schiffe, d.h. es werden auch Unfälle anderer Schiffe zumindestens nautisch aufgezeichnet.
Das hat bei einigen Seeamtverhandlungen zu bösen Ueberraschungen geführt, da eine vorbeifahrende Fähre, die schon einen VDR hatte, den Unfall zweier Frachter in ihrer Radarreichweite aufgezeichnet hatte.

Zu guterletzt:
Der VDR ist eine geniale Erfindung, Sicherheit in der Seefahrt zu erzwingen, Mängel in Schiffen rechtzeitig zu entdecken und natürlich Ursachen von Seeunfällen nachträglich aufzuklären.
Die Einführungspflichten begannen in Stufen ab 2003. Inzwischen ist ein VDR Pflicht für jedes Schiff über 500 BRZ.

Ich hoffe, dass mein Bericht einen guten Einblick in den technischen Hintergrund und die Verwendungsmöglichkeiten eines VDRs gegeben hat.






letztes update: 26. August 2013
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